Presse aktuell 2013


 Die Oberbadische vom 11.12.13

Moderner alemannischer Sprachkünstler

Literarische Begegnungen: „Uf alemannisch cha me alles usdrucke“ / Markus Manfred Jung beim Hebelbund

Von Jürgen Scharf


Volker Habermaier (Foto: Th. Quartier)

Lörrach. „Schon wieder steht Weihnachten vor der Tür und schon wieder das ewig gleiche Luxus-Problem… Was schenkt man auch dieses Jahr und wem wieviel, und überhaupt warum und für was?“ Das ist doch genau die richtige Glosse in dieser hektischen Vorweihnachtszeit. Markus Manfred Jung moniert darin die „echt Christmas Fun-Factory“ und seufzt resignierend: „…halt Christmas statt d’ Chrischt-Mess“.

Das war, wie der Autor schmunzelnd bei der „Literarischen Begegnung“ des Hebelbundes im Hebelsaal des Museums zugab, eine „böse“ Weihnachtsgeschichte. Er hatte aber auch noch eine liebe Adventsgeschichte auf dem Lesetisch, auf dem sich seine Bücher geradezu stapelten.

Die Lesung des bekannten Mundartlyrikers und Glossenschreibers hatte beinah den Charakter einer Retrospektive. Zumindest empfand das so auch Gastgeber Volker Habermaier, der seinen Gast gar nicht mehr vorstellen musste.

Was einen guten Text ausmacht, erläuterten der Autor und sein Interpret (Habermaier) am Beispiel des im Wechsel gelesenen Gedichts „Totentanz“, in dem Jung Ausschnitte aus Hebels „Vergänglichkeit“ zitiert und das Alemannische Hebels gegen seine verknappte alemannische Mundartsetzt. Darin zeigt sich der moderne alemannische Sprachkünstler, dessen Sprachekurz, knappundaktuell ist – eben ein Dichter des Hier und Heute.

Jung schreibt in der „schönsten Sprache, die es gibt“ mit einem gewissen Alemannenstolz und Alemannenwitz. In Lörrach, wo er aufgewachsen ist, wollte er den Weg zurückverfolgen und Texte lesen, in denen am meisten Eigenes von ihm drin steckt. So schaut er zurück auf die Anfangszeit, liest aus dem längst vergriffenen „Rägesuur“ (1986) und steht noch immer zu dem Motto:„ Jedes Wort ist eine Frage“. Das Titelgedicht ist immer wieder veröffentlicht worden, an allen möglichen und unmöglichen Orten, sogar auf einem Schülerklo.

Dann stellt er Texte vor, die ihm wichtig sind, aus allen Gedichtbänden und den drei Glossenbänden. Auch jenes Gedicht, das er am häufigsten liest (und auswendig kann!): „Mundart“ („schade, ein Sprachfehler halt“), und sagt jeweils etwas Persönliches dazu. Jung hat Germanistik studiert, warum schreibt er dann alemannisch und nicht hochdeutsch? Aus Tradition oder weil es ihm wichtig erscheint? Die Frage ist ihm öfter gestellt worden.

Jung hat aber auch kein leichtes Erbe angetreten. Denn was macht man, wenn man einen berühmten Vater hat, der so beliebt war wie Gerhard Jung? Seine kurze Antwort: Man macht sich unbeliebt. So wie in dem Gedicht „Gartenschau“ aus dem ersten Gedichtband, oder in der „Bächlein-Blümlein-Poesie“, die der pubertierende Dichtersohn dem Vater widmete. Kein Wunder, dass sie darauf hin nicht mehr zusammen gelesen haben! Doch beide hatten „großen Respekt und Mores“ voreinander.

Heute blickt M.M. Jung auf viele Bücher zurück, kann lesend aus dem Vollen schöpfen, mit seiner bildkräftigen Sprache erfreuen, sich als guter Beobachter der Natur erweisen, mit Klängen und Bedeutungen in seinen Texten spielen, die „leise in einer lauten Welt sind“ und sich trotzdem behaupten können.

Habermaier hatte Recht: Dieser Rückblick auf ein Leben hätte das Werk eines alten Dichters sein können. Nicht nur er war daher froh, dass Markus Manfred Jung fünf weitere Gedichtbände versprach!