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Presse aktuell 2012
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BZ vom 7.12.2012
"Mit Schärfungen und inniger Liebe"
BZ-Interview mit Uli Führe über seine Hebel-Vertonungen, die er in Kirchzarten und in Maulburg vorstellt
Der Komponist und Musiker Uli Führe widmet sich
auf seiner neuen CD und in seinem neuen
Live-Programm dem alemannischen Dichter Johann
Peter Hebel — zum Dank für den ihm 2010
verliehenen Hebeldank des Lörracher Hebelbundes.
Bettina Schulte sprach mit ihm über seine
Vertonungen von elf Gedichten.
BZ: Herr Führe, an wen wenden sich Ihre
Hebel-Vertonungen? An die des Alemannischen
Mächtigen oder auch an die anderen, für die es
eine Fremdsprache ist?
Uli Führe: An beide. Auf der einen Seite haben
wir in unserer südbadischen Kultur viele
Menschen jenseits der Lebensmitte, die haben
diese Texte drauf. Viele Hochsprachler kennen
sie nicht. Ich wollte diesen Gedichten eine
Musik geben, um sie neu hörbar zu machen. Musik
ist immer Deutung und Brücke.
BZ: Man hat ja eine gewisse Achtung vor diesen
Texten. Sie sind mehr als zweihundert Jahre alt,
und sie schrauben das Alemannische sprachlich
auf einen einsamen Höhepunkt. Mussten Sie eine
Schwelle überwinden, um sich ihnen zu nähern?
Führe: Nein, überhaupt nicht. Den Preis habe ich
als Impuls aufgefasst, etwas Neues für und mit
Hebel zu machen. Es war das Hebel-Jahr (zum 250.
Geburtstag, die Red.), ich habe alle Biografien,
die erschienen sind, gelesen — und habe mich mit
Schärfungen, Distanz und inniger Liebe an die
Vertonungen gemacht. Der
Zeigefinger-Protestantismus im "Wegweiser" ist
mir fern. Aber Hebel ist ein Mann mit einem
Weltblick gewesen, der auch
naturwissenschaftliche Interessen hatte.
Gedichte wie "Der Käfer" und "Das Spinnlein"
zeigen, wie genau er die Natur wahrnimmt.
BZ: Wie sind Sie konkret musikalisch
herangegangen?
Führe: Ich habe die Form der Texte aufgezeichnet
und die Musik streng nach der Textur komponiert.
Die Strophenform funktioniert nicht, dazu ist
Hebel viel zu komplex. Jedes Gedicht hat eine
eigene musikalische Gestalt. Swing, Rap,
Chanson, Ballade, Schlager, Blues, Chorgesang —
das alles ist dabei. Ich habe die Lieder zuerst
mit Gitarre und Gesang eingespielt. Ich wollte
den Atem-Sprech-Singfluss als Grundlage. Die
weiteren Instrumente sind danach dazugekommen.
Live beschränke ich mich auf Stimme, Gitarre und
Cello. Monika Ecker ist eine so wunderbare
Musikerin, dass ich für sie zehn weitere Stücke
komponiert habe, die das Live-Programm
erweitern.
BZ: Ist Ihnen Hebel neu ans Herz gewachsen?
Führe: Ich bin in Lörrach mit Hebel
aufgewachsen. Als Kinder haben wir ihn als
Heimatdichter mitbekommen und als fünften
Evangelisten. Er war der Übervater. In den
letzten Jahren ist mir aber erst klar geworden,
welche Riesendimension er besitzt. Er ist
Philosoph, er ist Aufklärer, er ist ein
Menschenlieber und ein Kenner der griechischen
und lateinischen Mythologie. Weil man denkt, er
sei ein Dialektdichter, wird er unterschätzt.
Dabei hat er die alemannische Sprache genutzt,
um die große europäische geistige Kultur in
seiner Zeit zu verankern. Etwas Ähnliches
versuche ich mit meinen Mundart-Programmen: die
Sprache als Spiegel der Zeit zu erfassen.
BZ: Hebels großes Gedicht "Die Vergänglichkeit"
fällt nicht nur aus seinem Werk heraus. Wie
haben Sie sich dieser apokalyptischen Vision
genähert?
Führe: Ich habe sie von vielen Menschen sprechen
lassen. Es ist eine Erinnerungsmotette geworden.
In den Köpfen dieser Region hallt der Text
wider. Das Apokalyptische ist reduziert auf den
Hauch einer japanischen Flöte, während die Celli
mit einem Kanon das ewig Wiederkehrende
verkörpern.
BZ: Durch das Zyklische mildern Sie das
Apokalyptische ab. Oder?
Führe: Da folge ich nur Hebel und seinem
christlichen Hoffnungstrick: Die von der Erde
getilgten Menschen finden sich auf einem Stern
wieder.
BZ: Was soll nun der arme hochdeutsche Mensch
tun, wenn er die Hebel’schen Texte nicht
versteht?
Führe: Bei den Konzerten erzähle ich vorher,
worum es geht. Der Kopf kommt an diesem Wortband
entlang wunderbar mit.
BZ: Übersetzen hilft weniger?
Führe: Diese Gedichte sind unübersetzbar. Es
gibt zwar Übersetzungen. Aber das ist ein
Verlustgeschäft. Beim "Treffen in Telgte" lässt
Grass die Barockdichter aufeinandertreffen — und
jeder spricht in seinem Ton, mit seinem Klang.
Mich fasziniert sowohl das Klangliche als auch
die Differenziertheit im Wortschatz am Dialekt.
BZ. Wäre schade, wenn der Dialekt ausstirbt.
Führe: Der stirbt aus. So wie er ist. Aber das
macht nichts. Es kommt etwas Neues.
BZ: Sie sind Optimist.
Führe: Ich habe ein ganz einfaches Weltbild.
Kultur ist immer lebendig. Jede Generation
schafft wunderbare Sachen. Man muss nur
hingucke.
CD: Uli Führe.
Dank Hebel.
http://www.fuehre.de Konzerte: 7.
Dezember, 20 Uhr, Rainhofscheune, Kirchzarten.
07661/ 9880921. 13. Dezember, 20 Uhr,
Dorfstübli, Maulburg. 07622/65021.
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