Presse aktuell 2012


BZ vom 11.5.12

Alt und Jung auf Hebels Spuren

Beim gestrigen Hebelfest putzte sich Hausen fein heraus und beeindruckte die weit angereisten Gäste aus Politik und Literatur

Von unserem Redakteur Dirk Sattelberger

HAUSEN. Knarzende Pferdekutschen, lachende Kinder in putzigen Kostümen, Frauen in tiefschwarzen Trachten — man könnte meinen, die Zeit ist stehengeblieben, wenn in Hausen Hebelfest gefeiert wird. Gestern war es wieder soweit, und der Geburtstag des alemannischen Dichters Johann Peter Hebel wurde mit einem Festumzug, humorvollen Reden und viel Musik gefeiert. Dabei erwies sich Ehrengast und Schriftsteller Karl-Heinz Ott aus Freiburg als glänzender Rhetoriker.

Karl-Heinz Ott ("Endlich Stille", "Wintzenried" ) bekam bei dem Festakt, der sich dem gut gelaunten Umzug im geschmückten Dorf anschloss, den Hebelpreis 2012, verliehen. Die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer persönlich übergab Ott diesen zweitwichtigsten Literaturpreis des Bundeslandes an den Freiburger. Karl-Heinz Ott, der mit Frau, beiden Töchtern und Hund angereist war, ging die Übergabe sichtbar zu Herzen: "Ich bin geplättet" , sagte er am Rednerpult — und hatte wohl spätestens jetzt die Sympathien des Publikums auf seiner Seite. In einem sehr persönlichen, rhetorisch geschliffenen Beitrag bot er den Gästen in der voll besetzten Festhalle Hausen Einblick in seine Kindheit ("Ich bin bei meiner Oma und meiner Mutter aufgewachsen" ), in das ertragreiche Wirken seines Deutschlehrers und den Segen der "gedichteten Welt" . Enger Blickkontakt, wedelnde Hände, ein schneller werdender Redefluss — Karl-Heinz Ott wusste seine Zuhörer mitzureißen. Als Stimme und Körpersprache abrupt stoppten, brandete lauter Applaus auf. Karl-Heinz Ott, der bescheiden lächelte, wurde wie ein Literaturstar gefeiert.

Auch sonst nur fröhliche Gesichter, nicht nur auf der Bühne, auf der sich Prominente wie Landrätin Marion Dammann, die neue Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer und die Vorsitzende der Basler Hebelkommission, Beatrice Mall-Grob, das Mikrofon in die Hand gaben. So haben die Schüler in Hausen an Hebels Geburtstag immer unterrichtsfrei, die Kindergartenkinder (und jünger) schlüpfen in putzige "Vreneli" - und "Hanseli-" Kostüme und singen und marschieren mit, so wie es schon Generationen vor ihnen getan hatten. Die Alten trugen Trachten und Anzüge und erfuhren auch gestern von der Gemeinde Hausen eine besondere Ehre: Sie wurden in weißen Pferdekutschen durchs Dorf chauffiert, nachdem sie vor dem Rathaus an einem Ehrenplatz verköstigt wurden. Hauptamtsleiterin Andrea Kiefer servierte dort Getränke und lachte mit der Sonne um die Wette; das Thermometer zeigte zu diesem Zeitpunkt (11 Uhr) bereits 21 Grad.

Mittags wurden die "alte Mannen" und "alte Frauen" von Hausens Bürgermeister Martin Bühler außerdem zum so genannten Hebelmähli — dieses Jahr ein feiner Tafelspitz — eingeladen. Die Bezeichnungen für Senioren sind in Hausen alles andere als abschätzig gemeint: Nach einer Idee von Johann Peter Hebel sollen die zwölf ältesten Männer am 10. Mai ein kostenloses Mahl sowie Wein erhalten (im Zuge der Emanzipation gesellten sich zwölf Frauen dazu). Nicht nur sie kamen in den Genuss einer besonderen Wertschätzung, sondern auch der hervorragende Lehrling Fabian Bühler aus Hausen. Beatrice Mall-Grob von der Basler Hebelstiftung überreichte zudem Hebelbüchlein an Leon Bootsmann, Manuel Ruch, Lisa Kärcher, Mirko Vollmer, Vanessa Bühler.

Beatrice Mall-Grob aus Basel, die von Bürgermeister Martin Bühler mit Küsschen und unter den Klängen von Hausens Hebelmusik am Bahnhof begrüßt worden war, ließ sich bei ihrer Rede ebenfalls nicht lumpen. Sie stieg in ihren Vortrag mit einer Anekdote der amtierenden Miss France ein, die bei ihrer Kür Elsässisch gesprochen habe und dafür reichlich Kritik einstecken musste. "Authentizität wird heute zum unkalkulierbaren Risiko" , sagte Beatrice Mall-Grob, mittlerweile eine alte und gerne gesehene Bekannte in Hausen. Sie plädierte in ihrer scharfsinnigen Rede für die eigene regionale Identität und die Muttersprache. An anderer Stelle war zu hören, dass Südbaden, Nordschweiz, Elsass und Vorarlberg (Österreich) schon immer ein eng verbundener Lebensraum gewesen seien. Das ganz und gar nicht steife Fest mit Literaturinteressierten aus ganz Deutschland, Politikern aus zwei Ländern und Bürgern aus dem Dreiländereck könnte dafür gut als Beleg gelten.