Presse aktuell 2012


Die Oberbadische vom 2.2.12

Erdbeeren statt Eiszapfen


In Hebels Berichten über warme Winter ist von Erdbeeren zu Neujahr die Rede

Von Maximilian Schweiger

Lörrach. Erdbeeren im Winter? Kein Problem - in jedem Supermarkt kann man sie kaufen. Und blühende Veilchen sind vielleicht in der Gärtnerei zu finden. Was aber, wenn es so warm wäre, dass Erdbeeren zu Weihnachten reifen und die Veilchen auf der Feldflur blühen? Klimakatastrophe? Laut Berichten von Johann Peter Hebel gab es das schon.

„Der warme Winter von dem Jahr 1806 auf das Jahr 1807 hat viel Verwunderung erregt“, heißt es in dem Bericht Hebels über „warme Winter“. Von Erdbeeren zu Weihnachten und Neujahr ist dort die Rede.

Ganz so warm war der Winter 2010 nicht, obwohl er laut NASA der wärmste seit beginn der Messungen, also 1880, ist. Und auch dieser Winter scheint bislang nicht so recht in die Gänge zu kommen. Das brachte Herbert Riehle aus Lörrach auf die Idee, uns sein antiquarisches Büchlein in die Redaktion zu bringen, eine Ausgabe von Hebels Werken aus dem Jahr 1869.

„Bei uns ragen die Tulpen schon sechs oder acht Zentimeter aus dem Boden - da kam mir Hebels Geschichte 'warme Winter' in den Sinn“, erzählt Riehle.

80 Jahre sei das in Leder eingebundene Büchlein schon in Familienbesitz. „Als es noch in einer Schublade in der Küche lag, haben wir es als Kinder immer angesehen und bewundert.“ Jahre später fand Riehle das Buch in einer Kiste auf dem Speicher wieder - las kurz darin und wollte es seitdem nicht mehr hergeben.

„Darin stehen immer wieder Geschichten, die einen zum Schmunzeln bringen“. Dem aktuellen Kälteeinbruch zum Trotz: Es scheint, als gäbe es sie immer seltener, die richtig harten Winter. „In meiner Kindheit gab es häufiger Schnee, der sich links und rechts der Straße auftürmte“, erzählt der Senior.

Heute seien Schneemassen im Winter eher etwas besonderes. Hebel berichtet noch von weiteren warmen Wintern. Woher er seine Kenntnisse bezog, ist ungewiss. „Im Jahr 1289 war es so warm, daß die Jungfrauen zu Weihnacht und am Dreikönigstag Kränze von Veilchen, Kornblumen und anderen trugen.“ Hebels Resümee: „Es ist besser wenn am St. Stephanstag (26. Dezember) die Bäume treiben, als wenn am St. Johannistag (24. Juni) Eiszapfen daran hängen.“