Presse aktuell 2011


Weiler Zeitung vom 25.10.11

Einblick in Hebels Gedankenwelt

101. Hebelschoppen: Hertinger Uwe Hauser interpretiert ein bekanntes Hebelbild kurzweilig und interessant

Bad Bellingen-Hertingen (jut). Für seinen kurzweiligen Vortrag mit viel lebendigem Zeitkolorit gab es donnernden Applaus: Schuldekan Dr. Uwe Hauser hielt den Festvortrag anlässlich des traditionellen Hebelschoppens in der Hertinger Kirche.

Warum heißt eine junge Frau nicht mehr Vreneli, sondern Elisabeth? Was will Johann Peter Hebel in dem Bild, auf dem er gemeinsam mit dieser Frau abgebildet ist, mit dem erhobenen Zeigefinger andeuten? Und was hat beim evangelischen Theologen Hebel die katholische Karlsruher Stephanskirche im Bildhintergrund zu suchen?

1953 wurde Carl Josef Agricolas Bild „Hebel und Vreneli“, gemalt 1814, aus Privatbesitz vom Historischen Museum Basel erworben. „Das Schöne daran ist, das es so viele Interpretationsmöglichkeiten eröffnet“, meinte Schuldekan Dr. Uwe Hauser, der zum Thema „Die schöne Elisabeth und die (Be)deutung eines Hebelbildes von Carl Josef Agricola“ anlässlich des traditionellen Hebelschoppens den Festvortrag hielt.

Hebelschoppen-Organisator Karl Mannhardt aus Schliengen hatte zunächst die vielen Freunde des alemannischen Dialekts in der Kirche willkommen geheißen. Zur festlichen Umrahmung des Vortrags von Uwe Hauser trugen Hansfrieder Geugelin, die Chorgemeinschaft Bad Bellingen, Organist Siegfried Bürgelin und Pfarrer Michael Donner bei.

Zu Beginn erläuterte Uwe Hauser: „Das Vreneli aus der Wiese hieß eigentlich Elisabeth Baustlicher und stammte aus Langendenzlingen.“ In dem Bild sieht es so aus, als ob sie einen Rat braucht - ob nun vom Theologen oder Pädagogen Hebel. Mehrere Botschaften, so Hauser, seien im Bild verpackt. Gemalt wurde es in der Ära der letzten Napoleonischen Kriege, in einer Zeit, in der ein Drittel aller Kinder unehelich geboren werden. Elisabeths Schwester erwartet zu der Zeit, als das Bild entstand, ihr zweites uneheliches Kind. In einem 600-Seelen-Dorf wie Langendenzlingen hat man wohl gewusst, wer der Vater war – ob Hebel dies auch tat? Ist der ausgestreckte Finger als Mahnung an die junge Frau zu verstehen, sich das Leben ihrer Schwester nicht als Vorbild zu nehmen? Oder weist der ausgestreckte Finger auf die Kirche im Hintergrund hin?

Hebels Erzählung „Der fromme Rat“ war Ende 1814 als antikatholisch verstanden worden, etwas, was er gar nicht beabsichtigt hatte, wodurch er sich aber viel Ärger einhandelte, denn in Baden wurden Katholiken und Protestanten vom großherzoglichen Herrscherhaus gleich behandelt.

Was sich mit dem Hinweis auf die katholische Stadtkirche auch andeuten könnte, ist die bereits durch den Heiligen Stuhl in Rom in Vorbereitung steckende Zerschlagung des damals seit 1200 Jahren bestehenden, liberal ausgerichteten Bistums Konstanz, das quasi ein geschlossener Kulturraum vom Oberrhein bis zum Bodensee gewesen war. „Die Erzbistümer Rottenburg und Freiburg entstanden neu, die Schweiz wurde abgekoppelt - viele Bindungen im alemannischen Sprachraum gingen dadurch schlichtweg kaputt“, erläuterte Hauser. Vielleicht, so überlegte der Referent, will „der Hebel im Bild“ auch andeuten, dass menschliche Verbindungen und gegenseitige Toleranz nicht „von oben“ angeordnet werden können. Für seinen Vortrag erntete Hauser großen Applaus.