Presse aktuell 2011


BZ vom 9.5.2011

Hebeldank an Schweizer Markus Ramseier

Beim Schatzkästlein in Lörrach

Von unserer Mitarbeiterin Maja Tolsdorf

Verfechter der Hochsprache haben an diesem Abend keinen Platz im Burghof, denn beim "Schatzkästlein" des Hebelbundes Lörrach wird ausschließlich Dialekt gesprochen. Eine liebevolle Hommage an die Mundart ist vor allem die Ansprache von Markus Ramseier, der an diesem Abend vom Hebelbund-Präsidenten Hans-Jürgen Schmidt den "Hebeldank" erhielt.

Zum Auftakt gibt es keine Sprachbarriere, denn den gestaltet das Ensemble des Hebel-Gymnasiums unter der Leitung von Matthias Kühne musikalisch. In Alemannisch ist dagegen der Prolog von BZ-Redakteurin und Mundartschriftstellerin Ulrike Derndinger aus Lahr gehalten. Mit ihrer Geschichte "Was soll i koche?" spannt Derndinger einen Bogen zwischen Tradition und Moderne, zwischen Damals und Heute. Sie erzählt von Markus, dessen letzte Reise ewig her ist und nur aus einem Schulausflug aus Berlin bestand. Vor dem geistigen Auge entsteht im weiteren Verlauf der Erzählung ein Bild von Bürgerlichkeit, wie man sie nur aus Großmutters Zeiten kennt. "Was soll i koche?" fragt die Mutter jeden Tag und kocht doch immer dasselbe.

Mit 44 Jahren wohnt der "Bub" noch zu Hause und bricht plötzlich aus, weil er eine Frau sucht, so wie der Bauer im Film, den er gesehen hat. Man denkt an "Ich war noch niemals in New York" von Udo Jürgens oder an "Bauer sucht Frau" und glaubt die Brücke zwischen Tradition und Moderne gefunden zu haben. Oder ist Markus ohnehin ein Kind der heutigen Zeit?

Mit dem "Hebeldank" und der Übergabe des Schatzkästleins versucht auch der Hebelbund den Brückenschlag zwischen dem Einst und Jetzt. Eigenschaften des Mundartdichters Johann Peter Hebel werden in Autoren, Schriftstellern und Literaten der heutigen Zeit gesucht. "Das kann unser Hebeldankträger wie Johann Peter Hebel es auch konnte" , sagt Hans-Jürgen Schmidt, Präsident des Hebelbundes, in seiner Ansprache zur Verleihung. Was er meint, ist die Menschenkenntnis, das Sich-Auskennen bei den Leuten, begreifen, was sie denken. "Und dann anehocke und schriebe. So sollsch’s mache. In dr Schwyz, im Elsiss, im Dütsche — sel isch grad gliich." Mit diesen Worten schärfte Schmidt auch den Blick über die Landesgrenze hinweg, denn der diesjährige Hebeldankträger ist ein Schweizer. Und noch etwas könne Ramseier, was Hebel auch konnte: mundartlich denken, mundartlich schreiben, damit Menschen sich mit ihren Erfahrungen und Erlebnissen auch sprachlich dort finden, wo sie real leben.

Tatsächlich verbindet den Schriftsteller seine Mitgliedschaft im Präsidium der Basler Hebelstiftung mit dem Dichter. Daneben hatte der Sprachwissenschaftler Ramseier Johann Peter Hebel zum 250. Geburtstag eine Ausstellung unter dem Titel "Doppelzunge" im Dichter- und Stadtmuseum Liestal gewidmet. Ramseier selbst hob in seinen Worten die Bedeutung von Mundart und Sprache hervor. Bis zur Matura habe er sich der Hochsprache verweigert, was er teils mit schlechten Noten bezahlt habe. "Doch die Mundart war für mich eine Form von Freiheit" , erklärt der Eidgenosse. Meist gebrauche man Sprache unbewusst und Kommunikation misslinge viel öfter, als dass sie gelinge. Dort eine Brücke zu schlagen, sei Aufgabe von Schriftstellern und Dichtern.

Markus Ramseier lebt in Pratteln und ist Leiter des Dichter- und Stadtmuseums in Liestal sowie der Stiftung für Orts- und Flurnamenforschung Baselland. Vor dem "Hebeldank" 2011 erhielt er 1992 den Schweizer Arbeiterliteraturpreis, 1994 den Literaturpreis Arbeit und Alltag, 1995 den Buchpreis des Kantons Bern sowie 2001 den Bettina-von-Arnim-Preis.

Die Festrede am Schatzkästlein Eva Thauerer aus Passau "Die Vernunft des Herzens — Hebels Kalendergeschichten" . (...)