Presse aktuell 2010


Weiler Zeitung vom 26.10.10

Hebel lesen ist Zeitvermehrung

Hansfrieder Zumkehr macht sich Gedanken zum Zeitbegriff bei und mit Johann Peter Hebel

Bad Bellingen-Hertingen (jut). „Hebel ist ein wunderbarer Zeitvermehrer“, lernte man in der Hertinger Kirche. Wie immer ging es mit einem Gebet durch Pfarrerin Birgit Proske, Orgelbegleitung durch Siegfried Bürgelin und Chorgesang des Männerchors Hertingen festlich zu bei dem Teil des Hebelschoppens, der in der Kirche an den Dichter und sein Werk erinnert.

Es war ein informativer aber auch amüsanter Vortrag zum „Zit biete“ bei Hebel, den der Theologe Hansfrieder Zumkehr in der Hertinger Kirche anlässlich des 100. Hertinger Hebelschoppens hielt. Seine Vorredner Karl Mannhardt, Organisator des Hertinger Hebelschoppens und Christa Heimann machten darauf aufmerksam, dass Hebel immer wieder mit vielen Facetten bezüglich Theologie, Aufklärung, Natur, menschliche Beobachtungen überrascht. Hebel, so erfuhrman, war ein durchaus moderner Mensch heutiger Prägung - bereits vor mehr als 150 Jahren plagte ihn gelegentlich der sehr moderne Zeitmangel - andererseits wiederumkonnte der Dichter Dinge auch laufen lassen.

„Hebel weiß von der Vergänglichkeit im Leben, deshalb verwebt er das Leben seiner Leser mit Gedichten und Geschichten, zeigt immer wieder den Zusammenhang von Jetztzeit und Vergänglichkeit“, erläuterte Zumkehr. Hebel kann Zeit in den Geschichten quasi in kleine Bestandteile zerlegen, kann aber auch in wenigen Sätzen das Weltgeschehen zusammenfassen. Er ist so ein Meister der Zeitraffung. Hebel lesen sei Zeitvermehrung, lasse man sich auf seine Erzählungen ein, beobachte man, dass die Zeit stehen bleiben könne oder „dass sie an einem vorbeisäckelt“, erläuterte Zumkehr.

In seinen Briefen klagt Hebel, dass er „manchmal ganz bankrott mit seiner Zeit“ werde. War das der Grund dafür, dass er kein zweites ,Schatzkästlein' zustande brachte?“, fragte sich Zumkehr. Wobei er schilderte, dass Hebel auch Sympathien für Müßiggang hatte, mal in Ruhe einen Kaffee trinken konnte, gesellige Stunden liebte, bevor er „weiterschaffte“ und durchaus fähig war, Dinge einen Tag liegen zu lassen, was auch die Sympathie für die Figur des Zundelfrieder belegt, nämlich „heute schon zu tun, was man morgen noch tun kann“, so Zumkehr. Hebel lesen und verstehen biete „Ausgleichszeit“ - denn für Hebel sei der Mensch selbst immer noch das Maß der Dinge in einer zeitbeschleunigten Welt, gab der Referent den Zuhörern mit auf den Weg.