Presse aktuell 2010


Die Oberbadische vom 26.10.10

Hebelverse extravagant vertont

Konzert mit Hansjürgen Wäldele und seiner Jungen Kantorei

Von Walter Bronner

Weil am Rhein. Wer Konzerte des experimentierfreudigen heimischen Oboisten, Komponisten und Dirigenten der Jungen Kantorei Weil, Hansjürgen Wäldele, besucht, darf sich immer auf ein Hörerlebnis der extravaganten Art gefasst machen. So auch wieder am Sonntagabend in der vollbesetzten Altweiler Kirche, in der dieser Ausnahmemusiker und seine Mitinterpreten zum Abschluss des vom Kulturamt initiierten Schatzkästlein- Wochenendes auf sehr spezielle Weise Johann Peter Hebel huldigten.

Aufgeführt wurden ausschließlich Wäldeles eigene Vertonungen von Hebelgedichten – und da war auch Gewöhnungsbedürftiges dabei. Dies vor allem zum Auftakt im über 20 Minuten langen Bicinium (Zwiegesang) für Sopran und Englischhorn „Lueg, dört isch d’Erde gsi“ mit der Sopranistin Birte Niemann. Diese im imitatorischen Stil auf wenigen Tönen aufgebaute musikalische Umsetzung des großen Hebel'schen Endzeitgedichts „Die Vergänglichkeit“ geriet zu einem eigentümlich monotonen Lamento, das nicht nur dem Interpreten- Duo anstrengende Aufgaben stellte, sondern auch der Hörerschaft recht schwierige Konzentrationsübungen auferlegte.

Ganz anders dagegen Wäldeles Chorsätze des in zwei Varianten vertonten Kurzgedichts „Trost“ und der parodierenden Verse „Auf den Tod eines Zechers“. Bei deren Wiedergabe wurden erstaunlich volkstümliche und choralartige Töne mit eingängigen Melodien und an spätromantische Liedkunst erinnernde Harmonien angeschlagen.

Hauptwerk des trotz aller Anforderungen an das Publikum faszinierenden musikalischen Anlasses war eine kantatenähnliche Aufbereitung des zwölfteiligen Mahn- und Wegweisungsgedichts „Der Wächter um Mitternacht“ für Tenor, Chor und fünf Instrumente, die noch einmal in weniger anmutsvolle moderne Tonkunstbezirke entführte. Als Vokalsolist sekundierte der vorzügliche Schweizer Tenor Hans- Jürg Rickenbacher mit astreiner Diktion der Sänger- und Musikerschar, die ausgezeichnet präpariert und offenkundig mit viel Lust und Freude bei der Sache war.

Mitwirkende des Instrumentalquintetts waren Christian Leitherer (Klarinette), Tatiana Cossi (Horn), Walter Kösters (Viola), Michaela Bongartz (Violoncello) und Bernd Schöpflin (Kontrabass).