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Presse aktuell 2010
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BZ vom 25.10.10
Ein "Schatzkästlein" mit viel Inhalt
Zum 250. Geburtstag stand die Stadt im Zeichen von Hebel / Facetten von den Gaunergeschichten bis zum politischen Kommentar
Von unserem
Mitarbeiter Adrian Steineck
WEIL AM RHEIN. Das
Wochenende stand ganz im Zeichen Johann Peter
Hebels. Zum 250. Geburtstag des Mundartdichters
fanden in der Stadt acht verschiedene
Veranstaltungen statt, in denen man Hebel in all
seinen Facetten begegnen konnte. Gemäß dem Motto
des Veranstaltungsreigens gab es bei diesem
"Schatzkästlein" so manche Entdeckung zu machen.
Zum Auftakt hatten sich am Freitagabend etwa 40
Besucher vor der Ötlinger St. Galluskirche
eingefunden, um vom höchsten Weiler Stadtteil
aus zunächst den Blick über Hebels
Markgräflerland schweifen zu lassen. Im
Anschluss ging die Veranstaltung, die laut
Stadtführerin Sabine Theil "ruckzuck
ausverkauft" war, im historischen Gewölbekeller
von Bärbel und Hansi Kolz weiter. In dem Gemäuer
aus dem 15. Jahrhundert las die Basler
Stadtführerin Helen Liebendörfer aus ihrem Buch
"Spaziergang in Basel mit Johann Peter Hebel".
"Hebel war früher in Basel Thema im
Schulunterricht, bis dann im Zuge der
68er-Generation die von ihm gepriesenen Werte
als altmodisch galten", erzählte Liebendörfer.
Nun im Hebel-Jahr stellt sie jedoch ein
erfreuliches Umdenken bei vielen Lehrern fest.
Den Rundgang begann sie mit Hebels Geburtshaus
am Totentanz 2 in Basel, das erst 1926
identifiziert wurde. "Vorher ging man davon aus,
dass er in der Basler Bärenstraße geboren wurde.
Erst zum 100. Todestag stellte ein Forscher
fest, dass das Geburtshaus am Totentanz lag."
Musikalisch umrahmt wurde Liebendörfers Vortrag
vom Hausherren Hansi Kolz sowie Jane und Horst
Wedekind, die schwungvolle Coverversionen von
Stücken wie "Killing me Softly" darboten, die
die besondere Atmosphäre des Abends noch
unterstrichen.
In Altweil konnten die Hebelfreunde sich derweil
wie auf einer Zeitreise vorkommen: Im Wohnzimmer
des historischen Meierhofs rezitierte
Kulturamtsleiter Tonio Paßlick Hebels
Kalendergeschichten. Christoph Schlachter hatte
die Türen seines Wohnhauses geöffnet, und 22
Besucher - ursprünglich hatten die Veranstalter
nur 18 zulassen wollen - waren gekommen. Ein
alter Kupferstich mit Hebels Konterfei, die
aufgestellten Kerzen und die "Chunst", die eine
behagliche Wärme verströmte, sorgten für eine
Atmosphäre wie zu Hebels Zeiten. Tonio Paßlick
trug Kalendergeschichten Hebels vor, die im
Stile von Gauner-Moritaten der Gesellschaft den
Spiegel vorhielten. Dieter A. Walz, Schulrektor
in der Hebel-Stadt Hausen und Autor des Buches
"Johann Peter Hebel - ein pragmatischer
Psychologe" , lieferte zu satirischen
Geschichten wie "Der fromme Pilgrim", "Der
Zirkelschmied" oder "Der schlaue Husar"
aufschlussreiche psychologische Analysen. So
vermutet er etwa, dass Johann Peter Hebel, der
es als Sohn armer Eltern weit brachte, für die
dazu erforderliche Anpassungsfähigkeit einen
hohen Preis zahlen musste. "Er musste ständig
guttun, um nicht als ungebildet dazustehen, und
verkörperte als Lehrer an einem Karlsruher
Gymnasium die bürgerlichen Werte" , erklärte
Walz. "Deshalb vermuten viele, dass er sich in
seinen eulenspiegelhaften Gaunergeschichten
auslebte." Zwischen den Lesungen griff Dieter
Walz zur Gitarre, um mit Tonio Paßlick an der
Flöte mit elegischen Melodien, die Walz
geschrieben und teils an die Zigeunermusik
angelehnt hatte, das Gehörte musikalisch zu
umrahmen. In der Pause konnten die Besucher sich
an der von Christoph Schlachter gekochten
Kürbissuppe, Zwiebelwaie, Gugelhupf und Wein
gütlich tun.
Ein bunter Hebel-Reigen - skurril, ironisch und
auch mal bissig
Wer am Freitag
noch nicht Hebel-müde war, konnte in der
"raumfabrikweil" in Friedlingen einen
Hebel-Abend mit der Elsässer Chansonnière
Colette Greder, dem Musiker Andrei Ichtchenko,
dem Freiburger Kabarettisten Martin Schley und
dem Schweizer Liedermacher Max Mundwiler erleben
(Kultur, Seite 8).
Am Samstag fand der bunte Hebelreigen seine
Fortsetzung, als OB Wolfgang Dietz, der mit den
Hebel-Geschichten um den Zundelheiner frühe
Kindheitserinnerungen verband, im Haltinger
Gasthaus Hirschen Texte des Dichters vortrug.
Unter dem Thema "Hebel und die Wirtschaften" -
Dietz nannte die Gasthäuser die "Chatrooms des
19. Jahrhunderts" - las er kurze, anekdotenhafte
Texte Hebels, so etwa "Das wohlfeile
Mittagessen" . Der "gute Blick für das Skurrile"
, den Dietz Hebel attestierte, fand sich auch in
den Geschichten "Der silberne Löffel" und "Der
vorsichtige Träumer" . Die Gruppe "Backfische"
aus Arlesheim mit Florenz Hunziker am Bass,
Judith Kühn am Akkordeon und Philipp Iberg am
Chaldumeau genannten Holzblasinstrument
unterhielten die 41 Besucher auf schwungvolle
Weise.
Eine weitere Facette Hebels zeigten derweil -
wieder in der Friedlinger "raumfabrikweil" -
Roman Rothen, Harald Schwiers und Melanie Huber.
Rothen las Texte vor, die Hebels ironische und
mitunter enorm bissige Sicht der Politik
zeigten. "Zur Politik" oder "Missverstand"
zeugten vom Humor Hebels, mit dem er auf bissige
Weise die Zustände seiner Zeit karikierte.
Harald Schwiers und Melanie Huber untermalten
die Lesung subtil und wirkungsvoll. Gezeigt
wurde auch der 20-minütige Film "Die Wiese", in
der Hobbyfilmer Rolf Renk dem Fluss von der
Quelle bis zur Mündung durch Orte wie Todtnau,
Zell, Schopfheim, Lörrach und Weil am Rhein
folgte und dazu auch Teile von Hebels
Wiese-Gedicht verwendet hatte.
Mit einem weiteren Vortrag der
"Kalendergeschichten", mit denen Tonio Passlick
und Dieter A. Walz im Weingut Frey Station
machten und bei dem auch die Markgräfler
Trachtengruppe ein Gedicht vortrug, ging der
Hebel-Samstag zu Ende. Gestern klangen die
Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag Hebels dann
mit einem Konzert Hansjürgen Wäldeles in der
Altweiler Kirche und einer Führung durch Altweil
bei Nacht aus (wir berichten noch).
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