Presse aktuell 2010


BZ vom 25.10.10

Lichter in der Dunkelheit

"Schatzkästlein" -Wochenende zu Hebel in Weil am Rhein

Ein vielfaches Hoch auf Johann Peter Hebel: Ganz im Geiste des großen alemannischen Dichters waren die Chansons, Lieder und Texte, mit denen Künstler aus dem Dreiländereck beim "Schatzkästlein" -Wochenende in Weil auftraten. Eine schöne Idee, Chansons aus dem Elsass, Kabarett aus dem Badischen und Mundartlieder aus dem Baselbiet an einem außergewöhnlichen Ort zusammenzubringen: der Raumfabrik Weil, einem frühen Bau der Architekten Herzog & de Meuron.

Die elsässische Chansonnière Colette Greder, begleitet von dem fabelhaft virtuosen Akkordeonisten Andrej Ichtchenko, machte den Anfang mit Chansons auf Elsässisch. Es sind Lieder mit gesellschaftskritischem, ironischem Blick auf das Leben, die Menschen, den Alltag, großteils geschrieben von Bernard Baumgartner und komponiert von Arth Paul für Kabarettprogramme des Fauteuil und die Basler Revue "Pfyfferli". Da geht es im "Plus-Minus-Song" um das Hin und Her im Leben, oder wie in anderen Chansons um den Erfolgsdruck und den Wissensdrang. Hübsche kleine Geschichten aus dem Alltag, von den kleinen Leuten, von Themen, die viele betreffen, mit viel Esprit, Charme und bühnenwirksamer Chansonstimme von Colette Greder gesungen. Die zierliche Sängerin und Schauspielerin, die als Edith-Piaf-Darstellerin große Erfolge feiert, weiß diese Chansons mit viel Verve und beschwingter Ausstrahlung rüberzubringen.



Unter die Haut gehende Atmosphäre


"Salli, Herr Hebel!" , eröffnet der Freiburger Kabarettist Martin Schley launig seine Hebel-Hommage. Er hat sich Hebels Gedicht "Die Vergänglichkeit" vorgenommen und sinniert darüber, dass Basel doch nicht untergegangen, nicht ins Grab gesunken ist wie in Hebels dichterischer Vision: "Basel isch immer no do und immer no e schöni Stadt" . In verteilten Rollen lesen Schley und Colette Greder das Gespräch zwischen dem Bueb und seinem Ätti, der so drastisch die Untergangsvision ausmalt: der Belchen verkohlt, alles öd, schwarz und totenstill. Sehr eindringlich geriet die Text-Musik-Collage "Totentanz" von Markus Manfred Jung und Uli Führe aus dem Zyklus "Ikarus" , die Schley, Greder und Ichtchenko mit eindrücklicher Stimme, Trommelklängen und Akkordeon interpretierten: ein Basler Klagelied, eine dichte Collage aus Passagen des Vergänglichkeits-Gedichts, Zitaten von Hölderlin und Anspielungen auf den Basler Totentanz, die eine gespenstische, poetisch-dramatische, unter die Haut gehende Atmosphäre schuf.


Martin Schley schlüpf in seine Paraderolle


Martin Schley schlüpfte dann in seiner Paraderolle des Hausmeisters Hämmerle und parodierte humorig-schlitzohrig die wichtigtuerischen Leute im Funkhaus. Der große Hebel war auch in der Figur des Hämmerle präsent, wenn dieser darüber sinniert, an einer Wegkreuzung zu stehen und nicht zu wissen, wo es lang geht, und rät, immer das Gewissen zu befragen: "De Johann Peter Hebel losst grieße!" Mit Herz und Humor ging es nach der Pause weiter mit dem Schweizer Mundart-Liedermacher Max Mundwiler, der im breiten Dialekt des oberen Baselbiets singt, was bodenständig rüberkommt. In seinen nachdenklichen Liedern verpackt Mundwiler Gedanken zum Alltag und Erlebnisse, etwa in "Schwesterherz" , aber auch Lebensphilosophisches wie in dem "Zeit-Tango" über die Zeit als kostbarsten Rohstoff, der doch immer knapp ist. Das Lied über den Lebenslauf einer Cola-Dose richtet sich gegen die Wegwerf-Mentalität, und in der Herbstgeschichte von zwei Äpfeln singt Mundwiler ein Loblied auf das Unverfälschte, das mehr wert ist als der schöne Schein. Zum Schluss singt der Liedermacher mit Colette Greder vom Licht in der Dunkelheit und von der Hoffnung im Leben — eine Botschaft, die wohl im Sinn Hebels ist.

Roswitha Frey