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Presse aktuell 2010
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BZ vom 22.10.10
"Viele Texte von Hebel waren damals visionär"
Interview mit dem Weiler Kulturamtsleiter Tonio Paßlick zum Hebelwochenende in der Stadt
Das kulturelle Leben in Weil steht am Wochenende
ganz in Zeichen von Johann Peter Hebel.
Gewissermaßen als Schlusspunkt des öffentlichen
Erinnerns zum 250. Geburtstag des Theologen,
Pädagogen und Dichters organisiert das Weiler
Kulturamt acht Begegnungen mit Hebel an elf
verschiedenen Schauplätzen in Weil. Michael Baas
hat bei Kulturamtsleiter Tonio Paßlick
nachgefragt.
BZ: Herr Paßlick, Hebel
irrlichtert seit Monaten, seit dem Geburtstag im
Mai durch die Öffentlichkeit. Sie kommen nun
ziemlich spät. Warum das?
Paßlick:
Weil wir die Zeit um den Geburtstag am 10. Mai
nicht zusätzlich befrachten wollten und es
durchaus eine Reihe von inhaltlichen Aspekten in
Hebels Werk gibt, die gut in den Herbst passen.
Denken Sie nur an "Die Vergänglichkeit" und
ähnliche Gedichte und Kalendergeschichten.
BZ: Fürchten Sie keinen
Hebel-Überdruss?
Paßlick:
Eigentlich nur bei professionellen
Veranstaltungsbegleitern wie Journalisten. Wir
hatten in Weil selber aber sehr wenige
Veranstaltungen zu Hebel in diesem Jahr.
Außerdem liegt der Reiz unserer acht
Veranstaltungen in der Verbindung ungewöhnlicher
und historischer Räumlichkeiten und der
Kombination von Musik und Textvortrag, am
Schluss sogar mit Uraufführungen von
Gedichtvertonungen durch die Junge Kantorei.
BZ: Wo sehen Sie aus heutiger
Sicht den Nutzwert von Hebel. Macht es
tatsächlich Sinn, sich jenseits der Wissenschaft
noch mit Hebel zu befassen?
Paßlick:
Absolut! Viele Texte von Hebel waren damals
visionär und sind zeitlos geblieben. Leider
wurden seine alemannischen Gedichte allzu oft
vereinnahmt im Geiste einer moralisierenden
Genügsamkeit. Das erschwert für viele den Blick
auf die hohe literarische Qualität seiner Werke
und die Alltagsrelevanz seiner
Kalendergeschichten, die zu den schönsten und
nuanciertesten Beobachtungen von Kommunikation,
vom Umgang mit ethischen Grundfragen und
psychologischen Alltagswahrnehmungen gehören,
die ich überhaupt kenne. Ein Blick auf die von
Dieter Walz erarbeitete Homepage der Grund- und
Hauptschule Hausen zeigt, wie geeignet Hebels
Themen auch für den Unterricht wären.
BZ: Was haben Sie zuletzt und
vor allem freiwillig von Hebel gelesen?
Paßlick:
Ich lese immer wieder Kalendergeschichten, aber
auch Sekundärliteratur über Hebel, weil viele
Werke wie das Buch "Maß und Mitte" des erwähnten
Dieter Walz einen unglaublich spannenden Zugang
zu Hebel ermöglichen
BZ: Das Programm erhebt auch
den Anspruch mit Klischees, die über Hebel im
Umlauf sind, aufzuräumen. Um welche handelt es
sich?
Paßlick:
Wir kennen alle sein Porträt mit dem erhobenen
Zeigefinger. Man muss die historischen
Rahmenbedingungen sehen, um zu verstehen,
weshalb aufklärerisch motivierte Werke im 19.
Jahrhundert in mehreren geschichtlichen
Restaurationsbewegungen wie nach 1848 auf eine
Beschaulichkeit reduziert worden sind, die
angeblich keine Fragen mehr stellt. Hebel ist
nicht nur "Z’Basel am mim Rhy" , aber natürlich
ist er auch der Auftragsautor. Wichtig ist: es
gibt auch für die Wissenschaft noch viel in
seinem Werk zu erarbeiten, aber man sollte sich
mit ihm nicht nur aus dem Grund intensiv
beschäftigen, weil er nach wie vor der
wichtigste Schriftsteller der Region ist.
BZ: Die Veranstaltung
kombiniert Spaziergänge, ein Abendessen,
Rezitationen — welches Hebel-Bild steckt
dahinter?
Paßlick:
Das Bild eines Autors, der mit seinen
Kalendergeschichten und Gedichten über 200 Jahre
lang auf sehr persönliche Weise Menschen
begleitet und berührt hat und auf der anderen
Seite der Autor von Geschichten, die in die
Weltliteratur eingegangen sind wie
"Kannitverstan" oder "Unverhofftes Wiedersehen"
. Wir wollen Menschen bewegen, verschiedenste
Facetten der Wahrnehmung ermöglichen. Und nicht
zuletzt ein Geburtstagsfest feiern. Und wir tun
dies an ungewöhnlichen, einzigartigen Orten wie
zum Beispiel der "Raumfabrik Weil" in
Friedlingen, einem Gebäude der Stararchitekten
Herzog & de Meuron — mit einem kabarettistischen
Abend am Freitag mit Chansons und Liedern und
dem Jazz-Trio Roman Rothen mit dem Rezitator
Harald Schwiers und dem kurzen Film "Die Wiese"
von Rolf Renk. Beide Veranstaltungen wurden
bislang überhaupt nur jeweils einmal angeboten.
BZ: Den Schlusspunkt dieses
Schlusspunktes setzt "Hebels klingende Poesie"
mit der Jungen Kantorei Weil unter Leitung von
Hansjürgen Wäldele. Was erwartet die Besucher
da?
Paßlick:
Der Dirigent, Oboist und Komponist Hansjürgen
Wäldele hatte schon vor sieben Jahren zwei Werke
von Hebel vertont, die ich so gut fand, dass ich
ihn gebeten habe, weitere Gedichte zu vertonen.
Er hat aus dieser Idee mit der Jungen Kantorei,
den Sängern Birte Niemann und Hans-Jürg
Rickenbach und einem Instrumentalensemble ein
wunderbares Konzerterlebnis gestaltet. Neben dem
Konzert am Sonntag um 20 Uhr kann man auch die
öffentliche Generalprobe am Samstag um 17 Uhr
besuchen, die vor allem für Jugendliche gedacht
ist.
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