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Presse aktuell 2010
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BZ vom 16.07.2010
Erinnerungslandschaften
"Schattenfuge" : Eine Hinterzartener Ausstellung und ein Buch zu Ehren des Jubilars Johann Peter Hebel
Es ist, keinem in der Regio dürfte es entgangen
sein, Hebeljahr. Die großen Feste zum 250.
Geburtstag des Theologen, Pädagogen und Dichters
sind vorbei, das neu gestaltete Hebelhaus in
Hausen ist eröffnet, die Ausstellungen zu Leben
und Werk - die größten in Lörrach und in
Karlsruhe - laufen seit Mai. Auch das Skimuseum
Hinterzarten widmet sich in einer kleinen, aber
sehr feinen Schau dem Verfasser der
"Alemannischen Gedichte". Die Leiterin und
Kuratorin Brigitte von Savigny hat einen Zugang
gewählt, der aus der Fülle der sich häufig
ähnelnden, unter dem Förderdach des Hebel
gewidmeten Literatursommers Baden-Württemberg
versammelten Veranstaltungen heraussticht: Unter
dem schönen, ursprünglich aus der Architektur
stammenden Titel "Schattenfuge" konfrontiert sie
Gedichte und Prosa Hebels mit zeitgenössischer
Kunst, Literatur und Philosophie aus Hebels
weiterer Heimat zwischen der Schweiz, dem
Wiesental und Freiburg. Ein fruchtbarer -
ausgerechnet von der Landesstiftung nicht
geförderter - Ansatz, der sich in den kleinen
Räumen des im historischen Hugenhof
untergebrachten Skimuseums in einer so intimen
wie intensiven Begegnung zwischen Malerei,
Fotografie, Grafik Installation und Text
niedergeschlagen hat.
Konstitutiver Bestandteil der Ausstellung ist
der ästhetisch sehr ansprechend gestaltete
Katalog, der über das in der Ausstellung
Gezeigte hinaus Prosatexte und Essays des in
Zürich tätigen Pfarrers und Theologen Niklaus
Peter, der Schriftstellers Karl-Heinz Ott und
Arnold Stadler, des Literaturwissenschaftlers
Carl Pietzcker und des Philosophen Rainer Marten
enthält und damit die intendierte Begegnung von
Bild und Schrift überhaupt erst sinnfällig
macht.
Da sind viele Bezüge geschaffen: zum Beispiel
derjenige zwischen Hans Hahns 1982 entstandenem
Ölgemälde "Die Wiese bei Todtnau-Brandenberg"
und Johann Peter Hebels großem Gedicht "Die
Wiese" - dem auch der Dichter Christoph Meckel
in der kleinen begleitenden Lesungsreihe einen
fulminanten Vortrag gewidmet hat. Auch
Friedemann Hahn, der heute noch dort lebt, wo
sein Vater seit Anfang der 80er-Jahre
großformatige Ölgemälde gemalt hat, ist mit
einer farbintensiven malerischen Annäherung ans
Wiesental (2009) vertreten. Karl-Heinz Otts
eleganter und kluger Essay "Hebels Himmel" nimmt
seinen Ausgang von Hebels "Allgemeiner
Betrachtung über das Weltgebäude".
Ein zentrales Motiv gerade für die
zeitgenössische Auseinandersetzung mit Hebel ist
dessen Gedicht "Die Vergänglichkeit". Arbeiten
von Jürgen Brodwolf wie auch philosophische
Überlegungen von Rainer Marten knüpfen an den
von Hebel phantasierten apokalyptischen
Weltenbrand an. Arnold Stadlers
fragmentarisch-assoziativer Text "Fazzoletto,
Schwarzer Stern, verkohlte Welt" trägt den
Schrecken schon im Titel. In der Ausstellung hat
Stadler, der seit je eine intensive Beziehung
zur bildenden Kunst unterhält, einen Raum
gemeinsam mit dem Fotografen Wolfgang Kaiser
gestaltet. Die Arbeit "Vater Sohn", die in
Schwarzweiß zwei Palmen vor einem gleißenden
leeren Meereshorizont zeigt, bringt eine
nachgerade bestürzende Verlorenheit zum
Ausdruck: Schönheit, die schmerzt - in Stadlers
Worten: "Reliquien und Ruinen".
Bernhard Strauss fotografische
"Erinnerungslandschaften" und Peter Drehers
Bleistiftarbeiten "Wald bei St. Märgen" bilden
in feinsten Grauschattierungen jeweils auf ihre
Weise einen Echoraum für Hebels Verortung in der
Landschaft seines Herkommens. Ganz anderes
wiederum - nämlich "Etwas zum Lernen" - gibt der
Hebelexperte Carl Pietzker in seiner Auslegung
von Hebels neben dem "Unverhofften Wiedersehen"
wohl berühmtester Kalendergeschichte
"Kannitverstan" dem Leser mit auf den Weg. Keine
Frage: "Schattenfuge - Johann Peter Hebel zum
Gedächtnis" ist eine Fundgrube. Das Buch bündelt
einige der künstlerisch größten Potenzen der
Region im Schatten des größten alemannischen
Dichters. Was will man mehr - nicht nur als
Hebel-Liebhaber.
Bettina Schulte
- Schattenfuge.
Johann Peter Hebel zum Gedächtnis. Hrsg. von
Brigitte von Savigny. Designconcepts Verlag
2010.187 S., zahlreiche Abb., 24,80 Euro.
- Ausstellung: Bis 12. September, Di., Mi., Fr,.
15 - 17 Uhr, Sa., So., 12 - 17 Uhr.
- Lesung: Heute spricht Rainer Marten im
Skimuseum über "Vergänglichkeit".
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