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Presse aktuell 2010
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Aktiver Ruhestand - GEW Nr. 1-2010
Aufklärer und Kalendermann
Johann Peter Hebel – vor 250 Jahren in Basel geboren
Als Junge fiel mir beim Stöbern in den
hinterlassenen Büchern meines Onkels ein
Büchlein in die Hände: „Schatzkästlein des
Rheinländischen Hausfreundes“. Mit dem Titel
konnte ich nicht viel anfangen, aber die
Geschichten vom Zundelheiner und vom
Zundelfrieder, von Kannitverstan, vom
Unverhofften Wiedersehen und andere zogen mich
in ihren Bann.
Auch erfuhr ich Vieles über die Nützlichkeit des
Maulwurfs, über die Planetenbahnen in unserem
Sonnensystem und dergleichen mehr.
Johann Peter Hebel, der Verfasser dieser
Geschichten und Abhandlungen, hätte seine Freude
an dem Schulbuben gehabt. War doch gerade dies
sein Ziel: Volkstümlich zu belehren. Damit stand
er in der Tradition der Aufklärung. Von den
Aufklärern hatten allerdings viele allzu
penetrant und moraltriefend versucht, das „Volk“
zu belehren. Als es nun darum ging, für das neu
geschaffene Kurfürstentum, dann Großherzogtum
Baden einen Kalender herauszugeben, schrieb
Hebel dazu ein „Unabgefordertes
Gutachten“ Darin
machte er deutlich, dass der Kalender, wenn er
Erfolg haben sollte, vom „Volk“, und das waren
im wesentlichen Bauern und Handwerker, gern
gelesen werden musste. Dazu musste schon der
Titel einladen:
„Hinter dem Titel: Curfüstlich badischer
gnädigst privilegierter Landkalender für die
badische Marggravschaft lutherischen Antheils
sucht außer dem marggravischen Unterthan und
Lutheraner niemand etwas, als die treuherzige
Warnung: Kaufe mich nicht, dich gehe ich nichts
an.“ Denn der
Kalender sollte auch die neu gewonnenen
katholischen und reformierten Untertanen
ansprechen. Hebel schlug deshalb vor, den
Kalender einfach „Der Rheinländische Hausfreund“
zu nennen.
Auch um die inhaltliche Gestaltung hatte er sich
Gedanken gemacht:
Eine allzu besonnene
und daher leicht merkbar werdende Berechnung
aller Artikel auf Belehrung und Moral greift
nicht durch, da kein Mensch, um belehrt und
gebessert zu werden, sondern um Unterhaltung zu
finden, den Calender list.“
Man müsse außer dem
Belehrenden immer mal wieder
„einen lustigen
Schwank, wieder eine grausame Hinrichtung oder
Mordthat zur Ergrejfung gröberer Nerven,
wiederum an seinem Ort etwas Sinnzes für
nachdenkende Gemüther, etwas Abentheuerliches,
etwas Seltsames und Räthselhaftes“ einstreuen,
kurz: „den Calender durch Annäherung in Inhalt,
Ton und aüsserer Gestalt an die Wünsche und den
Geschmack des Volkes“ attraktiv machen.
Heute heißt das: Man muss die Menschen, die man
belehren will, dort abholen, wo sie stehen — mit
Respekt vor ihnen und ohne herablassende
Attitüde. Als Redakteur des „Rheinländischen
Hausfreundes“ von 1807 bis 1819 hat Hebel diese
Grundsätze umgesetzt. Der Erfolg gab ihm Recht:
Die Auflage stieg jedes Jahr, von anfänglich
5000 auf schließlich über 50000 Exemplare. Dazu
trug auch Hebels Sprache bei. Er schrieb so,
dass der „Landmann“ ihn verstand, wenn er den
Kalender an langen Winterabenden las oder ihn
vorgelesen bekam. Gleichzeitig konnten aber auch
die Angehörigen der gebildeten Stände diese
Sprache genießen. Er biederte sich nicht
populistisch an, und gerade dadurch wurde er
populär. Er bot Unterhaltsames und Belehrendes,
Nützliches und Anekdotisches, sodass der Leser
auf angenehme Weise seinen Horizont erweiterte.
Mag sich für uns, nach 200 Jahren, der erhobene
Zeigefinger allzu deutlich strecken: Hebel
konnte das moralische Urteil auch für sich
behalten und dem Leser überlassen: „Der
Hausfreund denkt etwas dabei, aber er sagt‘s
nicht“, heißt es
am Ende der Geschichte vom Wasserträger. Hinter
dieser so leicht erscheinenden und doch so
kunstvollen Sprache steckte viel Mühe und
Arbeit, wie Hebel selbst einmal anmerkte:
Wenn es auch „so leicht
alles hinge- gossen scheint, so gehört
bekanntlich viel mehr dazu etwas zu schreiben,
dem man die Kunst und den Fleiß nicht ansieht,
als etwas, dem man sie ansieht...“
Freuen wir uns, dass Hebel Kunst und Fleiß
aufgewendet hat, um Geschichten zu schreiben,
die wir heute immer noch mit Genuss lesen
können. Am 10. Mai 2010 sind es 250 Jahre, dass
Johann Peter Hebel in Basel geboren wurde.
Vielleicht ist das ein Anlass, wieder einmal im
„Schatzkästlein“ zu blättern.
Hermann
Sehringer
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