Presse aktuell 2010


 
Badische Neueste Nachrichten 2.5.10

Hebel - der badische Dalai Lama

Die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten mochte Johann Peter Hebel besonders gern. Diese Frühlingswochen empfand er sie einen einzigen grollen Feiertag. Als kirchlichen wie weltlichen. Der evangelische Theologe ging im April und Mai besonders gern in die Kirche. Die hoffnungsvollen Texte der Evangelien hatten es ihm angetan. Sofern er nicht das Gartenlokal vor— zog. „ Fromm und gerührt kann ich sein, wenn ich den ganzen Sonntagmorgen in Beiertheim im Hirschen, im Grasgarten unter den Bäumen sitze“, schrieb 1-label am 20. Mai 1807 an Gustave Pacht. Bei Rotwein, Butterbrot und in Büchern von Jean Paul lesend fühlte sich der Kirchenmann so wohl wie im Gottesdienst. Kirche, Geselligkeit, Literatur — damit ist ein Dreiklang seines Lebens angeschlagen. Aus diesen Tönen konnte sich die Symphonie der Hebelschen Philosophie entwickeln.

In jenem Jahr 1807 lebte Hebel bereits 16 Jahre in Karlsruhe. Er hatte sich zum beliebten Lehrer und Diakon sowie zum berühmten

Johann Peter Hebel wurde vor 250 Jahren in Basel geboren

Schriftsteller entwickelt. Dabei fremdelte er lange mit der badischen Hauptstadt in der Ebene. Er sehnte sich ins badische „Oberland“ mit seinen Bergen, Wiesen und Menschen zurück. Indem sich Hebel dieses Heimweh von der Seele schrieb, wurde er berühmt. Seine „Alemannischen Gedichte“ von 1803 verzückten Publikum wie Literaturszene. Goethe und Jean Paul lobten die Dialektgedichts übers südbadische Land und dessen Menschen. Noch 100 Jahre später sollte Rainer Maria Rilke über Hebel schreiben:

„Nicht dass dieser Mann im Dialekt gedichtet hat, sondern dass der Dialekt in ihm dichterisch geworden ist, das ist das Entscheidende.“

Vor 250 Jahren, am 10. Mai 1760, wurde Johann Peter Hebel geboren. Er kam in Basel zur Welt, wo seine Eltern Diener reicher Leute waren, wuchs in Hausen im Wiesental auf und hatte als guter Schüler nur eine Perspektive für den sozialen Aufstieg: evangelischer Pfarrer zu werden. Deshalb kam er als 13-Jähriger aufs Internat, das „Gymnasium illustre“ in Karlsruhe, aus dem sich das Bismarck-Gymnasium entwickelte. Nach vier Jahren Schulzeit musste er Baden verlassen. Denn 1778 verfügte die Markgrafschaft noch nicht über eine Universität. So studierte Hebel zwei Jahre lang Theologie in Erlangen. Er bestand die Prüfung für ein geistliches Amt in Baden, sollte allerdings nie die lange erträumte eigene Pfarrstelle bekommen. Hebel wurde Lehrer in Lörrach und wechselte 1791 auf jene Schule, die er in Karlsruhe selbst besuchte. Er gab Unterricht in Latein, Griechisch, Hebräisch und anderen Fächern. Außerdem predigte er an Karlsruher Kirchen. 1808 wurde er Direktor seines Gymnasiums und bezog die Dienstwohnung im Nebengebäude der Karlsruher Stadtkirche am Marktplatz. Es liegt an der Ecke zur heutigen Hebelstraße.

Kurz vor der Beförderung hatte er jene Aufgabe erhalten, die ihm den bis heute anhaltenden Ruhm einbrachte. Im Alter von 47 Jahren übernahm Hebel die Redaktion des „Badischen Landkalenders.“ Er machte die jährliche Publikation wirtschaftlich erfolgreich und veröffentlichte darin seins Kalendergeschichten wie „Kannitverstan“ oder „Unverhofftes Wiedersehen“. Diese funkelnde Kurzprosa voller Witz und Weisheit verfasste kein genialischer Künstler, sondern ein überlasteter Beamter. Aber einer voller Humanität und Lebensklugheit. Er wollte Unterhalter, Pädagoge und Ratgeber der Leser sein. Deshalb benannte er den Kalender auch um in den „Rheinischen Hausfreund.“

Funkelnde Geschichten voller Witz und Weisheit

Wer einen Einblick in Hebels Humanität und Lebensklugheit erhalten will, lese im Büchlein „Glück und Verstand“ des Verlags Hoffmann und Camps (10 Euro). Diese Minutenlektüren wurden von Hansgeorg Schmidt-Bergmann und Franz Littmann ausgesucht. Im Nachwort ist von Hobel als „badischem Konfuzius“ die Rode. Wer aber kennt den Chinesen Konfuzius? Wäre nicht der evangelisch-badische Säulenheilige Hebel heute mit dem Dalai Lama zu vergleichen? Auch der Tibeter liefert in seinen Büchern Ratschläge für ein friedvolles, glückliches Leben. Hebel war ebenso zeitlebens unverheiratet und am Ende des Lebens Kirchenführer. Als Prälat der Evangelischen Landeskirche wirkte er 1821 maßgeblich an der Union von Lutheranern und Reformierten im Südwesten mit.

Auf einer Dienstreise starb Hebel 1826 in Schwetzingen an Magenkrebs. In der kurpfälzischen Stadt ist der große Karlsruher Schriftsteller beerdigt. Man kann Symbolisches daraus lesen. Vom Oberland ins Unterland verlief die Lebensreise dieses rundum symbadischen Mannes.

Thomas Liebscher