Presse aktuell 2010


 
BZ vom 29.5.10

Wie viel Moderne verträgt Hebel?

Die auswärtigen Besucher und Literaturexperten sind begeistert, aber im Dorf gibt es auch kritische Stimmen zum Literaturmuseum

Von unserem Mitarbeiter Edgar Steinfelder

HAUSEN. Vor drei Wochen wurde das neue Literaturmuseum im Hebelhaus eröffnet, das regional und überregional als gelungene Symbiose von historischem Anspruch und breit gefächerter Darstellung des umfangreichen literarischen Schaffens Johann Peter Hebels gewürdigt wurde. Aber im Dorf gibt es auch kritische Stimmen — Zeit für ein erstes Fazit.

So widmete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 12. Mai dem Hebelfest und dem neuen Literaturmuseum zwei volle Textspalten auf der ersten Seite ihrer Feuilletonbeilage. Hier war zu lesen: "Der Leiter der in Marbach angesiedelten Arbeitsstelle für literarische Museen hat dem Haus die Authentizität vorgaukelnde Puppenstubenatmosphäre genommen und sie durch eine moderne Konzeption ersetzt, die den Hausenern einen neuen, facettenreicheren, auch widersprüchlicheren Hebel präsentiert, ohne ihnen die singuläre Geschichte zu nehmen, die diesen Ort und seine Menschen mit Hebel und seiner Dichtung verbindet." Und Bettina Schulte, Kulturredakteurin der Badischen Zeitung, schreibt am 8. Mai: "Das Hebelhaus sah damals genauso aus wie heute. Doch das Schatzkästlein von Hausen ist erst jetzt aus ihm geworden. Man darf sich im Ort sicher sein, dass es magnetische Kraft entfalten wird — weit über das von Johann Peter Hebel so geliebte Wiesental hinaus."

Trotz dieser positiven Beurteilung durch die Medien und fast alle einheimischen und auswärtigen Museumsbesucher gibt es auch kritische Stimmen. Nicht jeder kann sich mit der Reform von Traditionellem identifizieren. Die schönen alten Möbel werden beispielsweise von den Kritikern im Hebelhaus vermisst. Aber warum hat man diese zweifellos historischen Gegenstände ausgelagert? War es verantwortbar, dem Museumsbesucher weiterhin zu suggerieren, dass Johann Peter Hebel genau in jenem früher zur Schau gestellten Bett genächtigt habe und es deshalb wie eine Reliquie darzustellen?

Natürlich war es schön, einen Eindruck von den Lebensumständen zu Hebels Zeiten in seinem Heimathaus vermittelt zu bekommen. Aber reichte das aus, die Dimensionen seines großartigen Schaffens in diesen historischen Räumen umfassend vermitteln zu können? Durchaus zu Recht kann man sich fragen, wo die historischen Möbel geblieben seien und welcher Verwendung sie zugeführt werden sollen.

Bürgermeister Martin Bühler räumt denn auch ein, dass die Kommunikation in dieser Frage in der Hektik der Vorbereitungsphase vielleicht zu kurz gekommen sei. Er versichert jedoch, dass sämtliche Möbelstücke und Utensilien fachgerecht zwischengelagert seien und man intensiv auf der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsraum sei. Ideal wäre natürlich die räumliche Nähe zum Hebelhaus. So könnte man den Besuch des Literaturmuseums mit der historischen Ausstellung, in der neben den Möbelstücken und auch viele interessante Gemälde und Fotografien gezeigt werden könnten, verbinden.

Bürgermeister Bühler hofft, dass diese Idealkonstellation möglichst bald umgesetzt werden kann. Man werde die Öffentlichkeit rechtzeitig informieren und nach Klärung der finanziellen Aspekte eine Entscheidung treffen. Ein Blick auf die Statistik über Besucherzahlen in den letzten Jahren macht deutlich, dass das Hebelmuseum bis 2008 immer weniger frequentiert wurde. Von 2004 bis 2008 hatte man im Schnitt nur noch 600 zahlende Besucher im Hebelhaus registriert. Das alleine war zwar nicht ausschlaggebend für die Erweiterung und Umgestaltung. Tatsache ist aber, dass schon in den ersten drei Wochen neben den zahlreichen Ehrengästen bei der Eröffnung fast 500 zahlende Besucher ihr Interesse am neuen Literaturmuseum bekundet haben. Die durchweg positiven Einträge in dem im Erdgeschoss bereit liegenden Gästebuch sprechen für sich. So schreibt ein Basler Besucher: "Bereichernd, eine Weile mit Johann Peter Hebel zu verbringen in der informativen und anregenden Ausstellung." Ein Gast aus Freiburg formuliert: "Dieses Haus mit dieser wunderbaren Ausstellung tut der Seele gut. Herzlichen Dank!" Und eine Hebelfreundin aus Lauffen am Neckar schwärmt poetisch: " und plötzlich ist das "Hüsli" richtig groß und präsentiert zurückhaltend, ästhetisch und überzeugend den J.P.H. Meine Glückwünsche zu dieser sehr gelungenen Umgestaltung!"

Die zirka zwanzig Personen, die sich als Aufsichtspersonen oder Museumsführer zur Verfügung gestellt haben, freuen sich jedenfalls auf viele interessierte Besucher, die mit ihren Statements die restlichen Gästebuchseiten füllen.

Info: Die Öffnungszeiten sind Mittwoch, Samstag und Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Führungen sollten unter Telefon: 07622/68730 angemeldet werden.