Presse aktuell 2010


 
Samstag, 8. Mai 2010: MT/OV/WZ: Wochenend-Journal

Zwischen Basel und Hausen lebt Hebel weiter

Land feiert 250. Geburtstag des Schriftstellers

Von Veronika Zettler                         pdf zum Download

In Hausen im Wiesental werden am 10. Mai die zwölf ältesten Männer und die zwölf ältesten Frauen zu einem festlichen Essen eingeladen. Das »Hebelmähli« ist nur eines von vielen Ritualen, mit denen man alljährlich des berühmtesten Sohnes des Dorfes gedenkt: Johann Peter Hebel. Sein Geburtstag ist Hausens ureigener Feiertag. Dieses Jahr wäre der Schriftsteller, Pädagoge und Theologe 250 Jahre alt geworden.

Wohl nirgendwo sonst wird Hebels Andenken so in Ehren gehalten wie zwischen Hausen und Basel, den beiden gegensätzlichen Polen, an denen er seine Kindheit verbracht hat. In Basel, wo seine Eltern im Dienst des Majors Iselin-Ryhiner gestanden hatten, kam er am 10. Mai 1760 zur Welt. Mit seiner Mutter verbrachte er hier die Sommermonate, die Winter über lebten sie in Hausen. Der Vater und die nur vier Wochen alte Schwester waren an Typhus gestorben, als er ein Jahr alt war. Die Wegstrecke durchs Wiesental ist für Hebel mit unzähligen Erinnerungen verknüpft, darunter seine schrecklichste. Im Jahr 1773 verstarb seine Mutter auf dem Rückweg von Basel nach Hausen, genauer: zwischen Brombach und Steinen. Hebel war erst 13 Jahre alt. Das Grauen des Sterbeorts wird im berühmten Gedicht »Die Vergänglichkeit« geradezu greifbar.


Der Intelektuelle ist Namensgeber für viele Einrichtungen im Land


Zum benachbarten Lörrach hegt Hebel aber weiterhin eine positive Beziehung. 1783 war er als (mäßig bezahlter) Hilfslehrer ans »Pädagogium« in Lörrach »vocirt« worden, wie es in der Anstellungsanweisung des Markgrafen Karl Friedrich hieß. Er liebte das Unterrichten. Der Abschied fiel ihm schwer, als er 1791 die Stelle als Subdiakon in Karlsruhe, im »Welschkornland«, annahm. Von da an besuchte er sein geliebtes »Oberland« nur noch selten. Die 1803 erschienenen »Alemannischen Gedichte«, die mit den Kalendergeschichten zu seinen bekanntesten Werken gehören, sind als Nachhall einer solchen Reise entstanden.

Es finden sich also reichlich Stationen zwischen Basel und Hausen, um gerade hier die Erinnerung an Hebel wach zu halten. In Hausen feiert man zum Beispiel alljährlich das »Hebelfest« mit idyllischem Festzug – die »Hebelmusik« in historischer Tracht, die Kinder in Anlehnung an das Hebel-Gedicht in »Vreneli«- und »Hanseli «-Trachten. Die Gemeinde würdigt verdienstvolle Persönlichkeiten mit der Johann- Peter-Hebel-Gedenkplakette, außerdem wird der Literaturpreis des Landes, der mit 10000 Euro dotierte Johann- Peter-Hebel-Preis, in Hausen verliehen. Sein Elternhaus heißt heute »Hebelhaus«. Bis vor Kurzem fungierte es als Dorf- und Heimatmuseum, gerade wurde es in ein modernes »Literaturmuseum« umgewandelt.


Identifikationsfigur mit Heimatbezug und Überregionalität


Auch in Lörrach begegnet man seinem Namen auf Schritt und Tritt: Hebel-Gymnasium, Hebelpark, Hebeldenkmal, Hebelsaal, Hebelstraße, Hebelbrunnen. Das einstige »Pädagogium« ist inzwischen Sitz des »Museums am Burghof«. Nach der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe verfügt es über die bedeutendste Hebel-Sammlung. Ein Teil davon ist bis zum 1. August in einer Sonderausstellung zu sehen.

Auch Schopfheim feiert seinen Hebel: Dort hat er die Lateinschule besucht und phasenweise im Haus des Diakons Obermüller gewohnt. Das Schopfheimer Stadtmuseum zeigt bis zum 19. September die Schau »Nei, lueget au des Spinnli a« – im Mittelpunkt stehen Hebels Naturkenntnisse. In Weil am Rhein, wo Hebel häufig bei seinem Freund Tobias Günttert zu Gast war, widmet sich das Museum am Lindenplatz ab 25. Juli Hebels intensiver (Brief-)Freundschaft zu Gustave Fecht. Ein neu ausgeschilderter »Hebelweg« vom Feldberg bis Basel ist gerade eingeweiht worden.

Hebel geriet an seinen früheren Wirkungsstätten nie in Vergessenheit. Schon 1860 gründete sich die Hebelstiftung Basel, die übrigens auch die Kosten für das »Hebelmähli « trägt. 1947 formierte sich der Hebelbund Lörrach. Hans-Jürgen Schmidt ist seit über zehn Jahren Präsident des Hebelbundes. Man habe nach Kriegsende den »rundherum begabten und begnadeten Hebel in seinem Heimatbezug wie in seiner Überregionalität als neue Identifikationsfigur « begriffen, erklärt er.

Gerade aber Hebels auf Verständigung zielender Geist und seine uneingeschränkte Menschenfreundlichkeit ließen in ihm nach 1945 das Potenzial zur »neuen Identifikationsfigur« erkennen. Zumal sein alemannischer Dialekt grenzüberschreitend in Südbaden, der Schweiz und, zumindest von den Älteren, auch im Elsass verstanden wird.


Literatursommer widmet sich dem berühmten Alemannen


Hebel, der alemannische Heimatdichter? In der modernen Literaturgeschichtsschreibung wird er so nicht gesehen, vielmehr begegne man dieser Auslegung noch »auf der Straße«, bedauert Schmidt. »Der ganze Hebel muss es sein«, fasst er dagegen das Bemühen des Hebelbundes zusammen: Hebel solle als Schriftsteller, Pädagoge, Theologe und Kirchenpolitiker sowie als vielfältig naturwissenschaftlich und historisch Forschender gleichermaßen gewürdigt werden.

Ohnehin waren es nicht die »Alemannischen Gedichte «, sondern Hebels Kalendergeschichten im »Rheinländischen Hausfreund«, dem früheren »Badischen Landkalender «, die ihn zu einem der meistgelesenen Autoren seiner Zeit machten. Auch in der Form des von Hebel reformierten Kalenders lag der Erfolg begründet, denn unter Hebels Ägide wandelte sich das Werk gleichsam zu einer Frühform der modernen Zeitschrift: Unterhaltungsund (vielfach aufklärerische) Ratgeberthemen hielten sich die Waage. Hebel sprach seine Leser zudem in einem vertraulichen, liebevoll-freundschaftlichen Ton an: »Du, lieber Leser…«.

Jedes Jahr erscheinen nach wie vor mehrere Bände neue Sekundärliteratur über Johann Peter Hebel. »Wir freuen uns riesig, dass so intensiv über Hebel gearbeitet wird«, sagt Hans-Jürgen Schmidt für den Hebelbund, der übrigens selber eine Hebel-Schriftenreihe herausgibt und einen »Hebeldank« verleiht. Wie wenig Hebel aus der Mode gekommen ist, zeigt aber vor allem das Jubiläumsjahr 2010. Der Literatursommer der Baden-Württemberg-Stiftung ist Hebel gewidmet.

Rund 150 Veranstaltungen im ganzen Land befassen sich mit dem Schriftsteller, Pädagogen und Theologen. Sieht man sich die Flut von Veranstaltungen an, möchte man meinen: Jeder hat seinen eigenen Hebel.

Das Programm spiegelt so ziemlich das gesamte Spektrum an Möglichkeiten wider, sich Hebels Persönlichkeit und Wirken anzunähern. Über 130 Veranstaltungen präsentieren Hebel in den unterschiedlichsten Kunstgattungen: Von klassischen Rezitationen, Vorträgen und Ausstellungen bis hin zu literaturwissenschaftlichen Kolloquien, Gottesdiensten, experimentellen Radiofeatures oder literarischen Spaziergängen.

Die Jury der Landesstiftung, die rund 150 Veranstaltungen für den »Literatursommer « ausgewählt hat, sei bemüht gewesen, »auch avancierte Formen« und junge, unbekannte Künstler zum Zuge kommen zu lassen, um »Hebel ins Land zu tragen«. Der Schriftsteller hat die Menschen beobachtet und durchschaut. Die Künstlerin Parsua Bashi strickt ihre Comics rund um Hebel’sche Weisheiten und zeigt so, dass diese auch heute noch Gültigkeit haben. Etwa lässt sie frei nach Hebels Text »Drei Wünsche« in bunten Farben aus dem Nichts einen Ehestreit entstehen. Worauf ein solcher Zwist gründen kann, das wusste schon Hebel. »Wenn man’s gut hat, hätt man’s gerne besser «. Nach dem großen Knall darf der Jubilar noch einmal mit erhobenem Zeigefinger dazwischenfunken: Alle Gelegenheit, glücklich zu werden, hilft nichts, wer den Verstand nicht hat, sie zu benutzen.

INFO
www.hebelbund.de
www.hebeljahr2010.de
www.literatursommer.de

Bücher:
Kalendergeschichten in Comics und Illustrationen, von Johann Peter Hebel, Hrsg. Basler Hebelstiftung, Schwabe Verlag, 64 Seiten, 17,50 Euro.

Mit Johann Peter Hebel von Ort zu Ort – Lebensstationen des Dichters in Baden-Württemberg, von Wilfried Setzler, Silberburg-Verlag, 183 Seiten, 22,90 Euro.

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