Presse aktuell 2010


 
Die Oberbadische vom 11.5.10

Der multiple Meister Hebel

Roman Rothen mit einer gelungenen Hebel-Collage im Jazztone

Von Veronika Zettler

Lörrach. Während einige allmählich genug haben vom Hebel-Hype, genießen andere die gegenwärtige Veranstaltungsdichte in vollen Zügen. Sogar im Jazztone ging es am Freitag um den allseits gefeierten „JPH“. Die musikalisch- literarische Annäherung kam gut beim Publikum an.

„Hebel - ein gnitzer Typ“, so lautete der Titel der „kammerjazzigen Literaturcollage“ des aus Pforzheim stammenden Bassisten und Komponisten Roman Rothen. Ungewöhnliche Besetzung: Die erste Stimme gehörte dem Kontrabass, die zweite der Klarinette von Melanie Huber, die dritte dem Schauspieler und Sprecher Harald Schwiers. Das Trio kam quasi als Karlsruher Abordnung der Hebelfangemeinde zu dieser Kooperationsveranstaltung von Jazzclub und Hebelbund. Was Literatur- Musik-Abende anbelangt, sind Rothen und Schwiers allerdings „alte Hasen“: In ähnlicher Form haben sie bereits über Shakespeare, Tieck, Poe und Kafka gearbeitet.

Die Textquellen, darunter massenweise Briefe, waren mit Bedacht gewählt, um Hebels vielschichtige Persönlichkeit und Biografie in möglichst vielen Facetten abzubilden.

Natürlich durfte der prominente Mundartlyriker, der Erzähler pointierter, aufklärerischer Geschichten und Denkspielerfinder in diesem Wesenspuzzle nicht fehlen.

Ebenso kam aber der große Verehrer und Wahlverwandte Jean Paul zum Vorschein, auch der unverheiratete Ehe- Theoretiker, dem der Anblick eines „saugenden Kindes“ seelisches Ungemach bereitet, der Nihilist, der sich in Briefen oft sarkastisch und selbstironisch, auch beruflich frustriert und zudem hypochondrisch äußert. An anderen Stellen schimmerte der „Esoteriker“ des Proteuserbunds auf, dann wieder der Theologe und Philosoph, der einen geständnishaften „Polytheismusbrief“ verfasst hat (1809 an Hitzig) und sich darin als Widerpart des theologischen Dogmatikers outet.

Schließlich der Autor des hymnischen Gedichts „Ekstase“ (1793 an Hitzig), das noch heute Rätsel aufgibt. Zur filmreifen und stellenweise sehr witzigen Deklamation von Harald Schwiers kam die Musik, die in akzentuierter Klangklarheit filigrane Stimmungsbilder der jeweiligen Lebenslage zeichnete.

Bass, Klarinette und Wort in gleichwertigen Rollen, mal einzeln, mal im Duo und Trio, mal mit rhythmischen, mal melodisch geprägten Motiven.

Auf den Abend eingestimmt worden war das Publikum durch den Kurzfilm „D’Wiese“ von Rolf Renk (Lörrach). Renk hat mit seiner Videokamera einen Ausflug von der Feldbergquelle bis zur Basler Rheinmündung der Wiese unternommen. Zu den jeweiligen Reiseetappen hört man die passenden Strophen aus Hebels Gedicht über „Feldbergs Töchterlein“. Sehr gelungen sind die ruhigen, aber kontrastreichen Bilder von der Wiese in ihren verschiedenen Stadien - als plätschernder Bergbach, über Steine und Stauwehre rauschend oder ganz still bei den breiten „Gumpe“ etwa in Fröhnd oder Maulburg.