Presse aktuell 2010


 
BZ vom 10.5.10

Eine etwas andere Hebel-Hommage

"Ein gnitzer Typ", eine kammerjazzige Literaturcollage im Jazztone in Lörrach

Mit Theater, Ausstellungen und Vorträgen wird dieser Tage auf jede erdenkliche Weise des sich zum 250. Mal jährenden Geburtstags des alemannischen Dichters, Denkers, Aufklärers und Humanisten Johann Peter Hebel gedacht. Da kann Hebel auch noch als Inspirationsquelle für Jazzmusik herhalten. So wie der Komponist und Kontrabassist Roman Rothen und die Klarinettistin Melanie Huber am Freitag im Lörracher Jazztone sich auf Spurensuche begaben und die Innigkeit, Frische und Tiefe in den zuvor oder zeitgleich von Schauspieler Harald Schwiers vorgetragenen Texten ausloteten, verschmolz beides — Literatur und Jazz — zu einem bemerkenswerten Kunststück. Hätte er heute gelebt, hätte der "gnitze Typ" — so der Titel der kammerjazzigen Literaturcollage — wohl gerne unter den Gästen im gemütlichen Clublokal gesessen — bei einem Schoppen oder einer Halben, für die er wie der Zirkelschmied in der Geschichte vom geschlossenen Magen, sicherlich noch ein Schlüsselloch gefunden hätte. Hier in Lörrach hätte er alemannisch schwätzen können und wäre verstanden worden. Und gewiss hätte er seine helle Freude an der musikalischen Reise durch sein Leben und Werk gehabt.

Die zeigte zum einen Hebels unverhohlenes Vergnügen an den zur Schau getragenen kleinen Schwächen seiner Mitmenschen, die er freilich nie denunzierte, sondern von denen er augenzwinkernd erzählte, von Streichen und Gaunereien, etwa in seinen Kalendergeschichten. Kongenial in zeitgenössische Töne gegossen hat all dies Roman Rothen. In seinen Kompositionen entfaltete sich leichtfüßiger, von sanftem Basspuls getragener Swing neben zarten Klarinetten-Arpeggien und der melodischen Leichtigkeit und Schmeichelei einer badischen Musette mit akzentuierenden Pinselstrichen auf dem Cello. Da brachen sich aber auch mal Schmerz und klagende Laute Bahn, etwa als der alternde Hebel, dem die Geschäfte über den Kopf zu wachsen drohten, sich in einem Brief in all seiner Gebrochenheit an seiner Beziehung zur Welt äußerte "Ich sterbe täglich& " .

Das Trio mit der dritten musikalischen Stimme von Harald Schwiers bot im Jazztone ein begeistert aufgenommenes, kurzweiliges Programm und eine etwas andere Hommage an den gefeierten Badener. Dazu gehörte auch der Film des Lörracher Jazzfans Rolf Renk zu Hebels Gedicht über "Feldbergs Töchterlein" voller schöner Bilder der Wiese von der Quelle bis zur Mündung in den Rhein, der zu Beginn gezeigt wurde.

Barbara Ruda