Presse aktuell 2010


 
Markgräfler Tagblatt vom 8.5.10

Intelligente Moralgeschichten

Hebel-Serie (Teil 6): Hebels Kalendergeschichten sind zeitlos gülti

Von Julia Lutz

Hausen. Wie Grimms Märchen Kinder dazu anleiten, sich Bilder zu den Märchen auszumalen, so lehren Hebels Geschichten Moral und Menschlichkeit.

Die Kalendergeschichten sind nur eine Gattung, bei der deutlich wird, welche Bedeutung der Dichter Johann Peter Hebel hat. Die Geschichten sind eine intensive Begegnung mit dem „unschätzbaren Hebel“, wie ihn Goethe einst nannte.
Hebel war kein lauter Mann, er erzog seine Leserschaft aber trotzdem nicht zu Duckmäusertum. Seinem Gedichte und Geschichten leben von der Sprache, die er aus der Essenz der Ursprache, dem alemannische Dialekt, schafft. Hebel schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Menschen des gleichen Sprachraums, auch wenn sie durch willkürlich gezogene politische Grenzen getrennt sind.

Von 1803 an veröffentliche Hebel Beiträge im „Badischen Landescalender“, der im Verlag des Karlsruher Lyceums erschienen ist. Ab 1808 erschien der Kalender unter dem neuen Namen „Der Rheinländische Hausfreund“ und wurde von Hebel nun selbst redigiert.

Wer den Kalender aufschlägt, kann sich ein Bild von Hebels Welt, in die er mit seinen Geschichten heiter und ernst zugleich hineinzuwirken versuchte, machen. Im Kalender kann man Hebel so lesen, wie er ursprünglich geschrieben hat - ohne die Korrekturen, die an den Geschichten vorgenommen wurden, als sie ins „Schatzkästlein“ des Rheinischen Hausfreundes des Verlegers Cotta in Stuttgart übernommen wurden.

Sicherlich musste dies geschehen, weil das „Schatzkästlein“ nicht nur im alemannischen Sprachraumverkauft werden sollte, sondern im ganzen Land.

Wer Hebel liest, merkt schnell, dass die Wertvorstellungen und moralischen Ansichten sich über die Jahrhunderte nicht verändert haben. So ist beispielsweise die Moral der Kalendergeschichte über die zwei Pariser Wasserträger, die in der Lotterie gewonnen haben, unverändert.

Der eine legt seinen Gewinn gut an, rechnet sich aus, was er verzehren darf und wird reich; der andere bringt sein Geld vergnügt durch. Die Geschichte endet mit dem Satz: „Der Hausfreund denkt etwas dabei, aber er sagt nichts“. Die Geschichte besagt, dass Geld allein nicht glücklich macht. Hebel ist und bleibt zeitlos gültig.