Presse aktuell 2010


 
Crismon - Baden spezial vom Mai 2010

Mehr als ein Dichterfürst

Baden feiert 250 Jahre Johann Peter Hebel. Er wurde am 10. Mai geboren. Der Schuldekan und Autor Uwe Hauser nennt sieben Gründe, warum der Dichter und erste Prälat der badischen Landeskirche heute noch aktuell ist.

1. Der Erzähler
Hätte es Kurz-Nachrichten wie SMS oder Twitter zur Zeit Hebels gegeben, er wäre darin ein Meister gewesen. Er verstand es hervorragend auf gedrängtestem Raum Anekdoten, Schwänke, Erfreuliches, Informatives, Schreckliches und Betrübliches zu formulieren. Stets haben seine Geschichten eine Pointe, die zum Nachdenken anregt. Der großherzoglich badische Landkalender, dessen Kernbestand im Schatzkästlein des Rheinländischen Hausfreunds bis heute zu lesen ist, entfaltete zwischen 1806 und 1819 eine enorme publizistische Wirkung im Großherzogtum Baden und weit darüber hinaus. Das lag allein an Hebels Geschichten.

2. Der Theologe
Für viele überraschend: Hebel war von Haus aus Theologe. Seine Grundüberzeugung besteht darin, dass Gott konkret erfahrbar ist. Im Leben eines Menschen muss sich Gott ereignen und sichtbar werden. Sonst bleibt der Glauben nur ein abstraktes Gebilde von Richtigkeiten und kann keine Wirkungen im Leben hervorbringen. In seinen Kalendergeschichten ist Theologie eingeschmolzen in viele kleine, aber feine Geschichten.

3. Der Dichter
Hebel dichtet in alemannisch. Stets liegen antike Versmaße zugrunde. Das liegt an Hebels klassischer Bildung. Und an seiner Begegnung mit Johann Heinrich Voß, der die Ilias und die Odyssee ins Deutsche übersetzte. Voß lehrte ihn, dass weder Homer noch Vergil in den Hochsprachen ihrer Zeit gedichtet hatten, sondern in einer Art Dialekt. Auf diese Weise könne die Lebendigkeit und Unmittelbarkeit der Dichtung am besten zur Geltung gebracht werden. Hebel wurde so zum alemannischen Vergil. Seine Gedichte beleben die Natur, sein Ideal: die Landschaft in Wiesental und am Oberrhein.

4. Der Kirchenmann
Vom Hauslehrer im Markgräflerland zum Prälaten der badischen Landeskirche: Hebel machte Karriere. Trotz aller Pflichten und Verpflichtungen, die er als Direktor der Lyzeums, der ersten Bildungsanstalt des Landes in Karlsruhe, als Kirchenrat, als Professor für Dogmatik und Hebräisch zu erfüllen hatte, war Hebel überzeugt, dass Gott ihn führte.
Trotz seines Erfolgs behielt er Bodenhaftung. So formulierte er 1820, dass er vor allem eins geblieben ist, „Christi Jünger“ und ein Mensch „nicht ohne Schwachheit und Fehler“.


5. Der Naturkundler
Unter Hebels Kalendergeschichten sind Abhandlungen über Astronomie, Pflanzen und Tiere zu finden. Er macht Lust darauf, die Natur zu entdecken. Im gelang es, die Naturwissenschaften allen Menschen zugänglich zu machen. Hebels Überzeugung: In der Auseinandersetzung mit der Natur erfährt der Mensch Gottvertrauen.

6. Der Weltoffene

Gesellschaftliche Gruppen, die zu seiner Zeit wenig salonfähig waren, übernehmen in Hebels Geschichten oftmals Vorbildfunktion. Ein Soldat zeigt zum Beispiel, wie humanes Handeln auch im Krieg möglich ist. Ein Jude lehrt die „mutwilligen Büblein“, wie „Böses mit Gutem zu überwinden“ ist. Hebel erlegt sich keine Denkverbote auf. Darin gleichen seine Erzählungen den Gleichnissen Jesu — auch dort treten Aussätzige, Frauen zweifelhafter Herkunft oder Randgruppen als positive Vorbilder auf.

7. Der Briefeschreiber
Wer Hebel als Mensch begegnen möchte, liest am besten seine Briefe. Wir erfahren etwas über seine Glaubenskrisen, wie im sogenannten Polytheismusbrief, oder mit wem er im „Bären“ in Karlsruhe, über welches weltbewegende Thema was für Thesen ausgetauscht hat, um ihn dann wieder über den „heillosen Mechanismus“ des Gymnasiums, dessen Direktor er ist, jammern zu hören. Wer die „Stimme des „Meisters“ hören möchte, kann sie hier vernehmen.