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Presse aktuell 2010
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Der Sonntag vom 2. Mai 2010
Der Dichter zum Anfassen
AUSSTELLUNG Das Museum am Burghof zeigt Hebel
von allen Seiten
Hebel von allen
Seiten will das Museum am Burghof Lörrach
zeigen: Mit traditioneller Vitrinenschau,
spannenden Originalen, Fundstücken und vor allem
einer sinnlichen Gestaltung mit
Mitmachstationen.
RENÉ ZIPPERLEN
Die Literatur hat
es oftmals schwer im Museum. Sie existiert eben
nur auf dem Papier – und was in den Köpfen ist,
lässt sich schwer vorführen. Also sperrt man
gerne Erstausgaben, Handschriften und Briefe
hinter Glas und packt des Dichters Pfeifen und
Puschen dazu. Für Johann Peter Hebel hat das
Lörracher Museum am Burghof neue Wege gesucht
und eine kreative Schau auf die Beine gestellt,
die der ganzen Persönlichkeit Hebels gerecht
werden möchte.
Es gibt dafür keinen besseren Ort: Das Museum
sitzt im alten Pädagogium, der ersten wirklichen
Arbeitsstätte des Dichters, der dort sieben
Jahre lang als Lehrer tätig war. Natürlich zeigt
auch das Team um Museumsleiter Markus Moehring
eine Pfeife des leidenschaftlichen
Tabakschmauchers, seinen angeblichen Lehnstuhl,
viele kostbare Erstausgaben, Gemälde,
historische Dokumente sowie schöne und kuriose
Hebel-Memorabilia.
Die reiche Sammlung des Hauses gibt so manchen
Schatz her. Doch die wohltuend unbiedere
Gestaltung von Aurea Hardt und Susanne Raible
ist eindrucksvoll und kreativ um Anschaulichkeit
und Sinnlichkeit bemüht.
Die Ausstellung „Johann Peter Hebel – Bewegter
Geist, bewegtes Leben“ zeichnet in 26 knappen
aber inhaltsreichen Tafeln Hebels Lebensweg,
seine vielen Tätigkeiten, seine
widerspruchsreiche Persönlichkeit und seine
Wirkung nach. Die Texte stammen vom Karlsruher
Hebelkenner Franz Littmann, der 2009 eine nur
äußerlich schmale Biografie veröffentlicht hat
und am 10. Juni im Museum einen Vortrag über
„Hebel und das Judentum seiner Zeit“ halten
wird.
Die Besonderheit des Konzepts sind die
achtMitmach-Stationen, die Markus Moehring
zufolge in ihrer Art etwas ganz Neues sind für
Literaturausstellungen. Susanne Raible hat dafür
Ideen entwickelt, die ausdrücklich nicht als
Spielstationen für Kinder gedacht sind, sondern
Das Hebel-Erlebnis vertiefen und einprägsamer
machen sollen.
Sie sind frei von Firlefanzerei, erhellend aber
wohl vor allem für Schulklassen. Das beginnt mit
Dem etwas voluminösen Puzzletisch zu Hebels
übersichtlichen Lebensstationen und zwingt dann
lässig zur Auseinandersetzung mit dem
alemannischen Gedicht „Das Gewitter“, das
Besucher zeilenweise auf Magnettafeln selbst
zusammenpuzzeln können. So zwingt man sanft zum
aufmerksamen Lesen. Die Lösung liest im
Kopfhörer der Schopfheimer Dichter Markus
Manfred Jung.
Weiter gibt es ein Alemannisch-
Hochdeutsch-Domino, eine Station zum
Selberstempeln von Kalendergeschichten, eine
schöne Schreibstation mit Feder und Tinte auf
Grundlage eines Hebelbriefes.
Eine Klapptafelzeitung zeigt die Quellen für das
berühmte „Unverhoffte Wiedersehen“, die Aufgaben
des Kirchenmanns ein Säulenportalpuzzle.
Hebel war moderner Pädagoge, streitbarer
Theologe, Aufklärer, fintenreicher
Briefeschreiber, charmanter Erzähler,
liebenswürdiger Dichter, Kirchenfunktionär und
Parlamentarier. Dass sein Leben und Denken reich
ist an unaufgelösten Widersprüchen, arbeitet die
Ausstellung schön heraus. Und sie verhehlt auch
nicht den Kult um den auch biederen
Heimatdichter, den seine Verehrer gerne auf
Dekodeckchen sticken und mit Trachtenumzügen
würdigen.
Zur Rezeption gehören aber auch die szenische
Kantate von Dieter Schnebel auf Hebel- Texte –
und der Gesang der FCBasel- Fans, die Sich
Hebels Basel- Gedicht fröhlich zu eigenmachen.
Wer der Ausstellung aufmerksam folgt – und das
erleichtern die knappen Texte sehr – kann sich
ein Bild machen vom gesamten Hebel. Und
neugierig werden, das eine oder andere Gedicht,
einen Brief oder eine Erzählung erstmals oder
nochmals zu lesen. Und was kann eine
allgemeinbildende Ausstellungmehrwollen?
> JOHANN PETER
HEBEL Bewegter Geist, bewegtes Leben. Museum am
Burghof, Lörrach. Mittwoch bis Samstag 14 bis 17
Uhr, Sonntag ab 11 Uhr (bis 1. August).
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