Presse aktuell 2010


 
BZ vom 16.04.2010

Hebel hat dieses Vreneli nie gesehen

Die Geschichte von Elisabeth Baustlicher und einem Bildmotiv, das die Post vor 25 Jahren für eine Briefmarke verwendete

Von unserem Mitarbeiter Elmar Vogt

HAUSEN. Wer kennt Elisabeth Baustlicher? Der Namen der jungen Damen, die einst als Vreneli im Doppelporträt mit Johann Peter Hebel (1760 bis 1826) gemalt worden ist, das vor 25 Jahren auch als Motiv für eine Briefmarke der deutschen Bundespost diente, ist nur eingeweihten Hebelkennern bekannt.

Dabei gibt genaues Hinsehen Aufschluss, wenn man das wohl bekannteste Bild mit dem Motiv "Hebel und Vreneli" von Carl Joseph Aloys Agricola (1779 bis 1852) im Basler Kirschgartenmuseum betrachtet: Es trägt am unteren Bildrand die ausführliche Beschreibung: "Elisabeth Baustlicher von Langendenzlingen, alt 19 Jahr. gez. den 29. November 1814 von Carl Agricola. J.P. Hebel von Basel. Alt 56 Jahr. gez. den 6. December 1814 in Karlsruhe, C.A."

Die Beliebtheit des Bildmotivs "Hebel und Vreneli" wird allein schon dadurch deutlich, dass ähnliche, mit kleinen Abweichungen versehene Vorlagen erschienen sind, so zum Beispiel bei Mansfeld & Co. in Wien (C. Agricola), bei Velten in Karlsruhe (T. Hurler) und Lemercier in Paris (S. Maier). Als Vorlage diente mit großer Wahrscheinlichkeit das im Basler Historischen Museum (Kirschgartenmuseum) zugängliche Bild. Als Wilhelm Altwegg 1935 seine große Hebel-Biographie herausgab, wusste er nichts von diesem Bild. Dieses authentische und zeitgenössische Hebel-Porträt wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckt. Das Historische Museum in Basel hat es 1953 erworben. Aus der genauen Datierung beider Bildnisse erfahren wir, dass das Bild der Elisabeth Baustlicher acht Tage vor dem Hebels entstanden ist. Beide Porträts sind auf einen Karton gemalt. Wäre dies nicht der Fall, wäre eine Fuge zwischen zwei aneinander gestoßenen Papierstücken zu sehen.

Die Forschung geht heute davon aus, dass das Aquarellbild in getrennten Sitzungen entstanden ist. Über das Leben der Elisabeth Baustlicher, 1795 geboren, sind keine Aufzeichnungen bekannt. Die Kirchenbücher von Langendenzlingen (heute: Denzlingen) klären nicht viel. Robert Feger stellt in seinem Beitrag fest, dass das Bild im Kirschgartenmuseum als Hintergrund die St. Stephanskirche in Karlsruhe zeigt. Eine Kirche mit der Hebel eigentlich nichts zu tun hatte. "Seine" Kirche war die evangelische Stadtkirche am Marktplatz. Beide Kirchen wurden nach Plänen des Architekten Friedrich Weinbrenner (1766 — 1826) geplant und gebaut. Die katholische Stephanskirche wurde 1814 fertiggestellt, die Stadtkirche wurde ein Jahr später vollendet. Die Darstellung von Agricola zeigt jedoch Bauteile, die nicht ausgeführt worden sind, so dass seine Zeichnung wohl nach einer Vorlage Weinbrenners gefertigt worden ist. Hebel war zu dieser Zeit Direktor des Karlsruher Gymnasiums.

In abgeänderten Vorlagen des Hebelbildes aus dem Kirschgartenmuseums erscheint nun im Bildhintergrund ein bewaldetes Flusstal, in dem als einziges Gebäude eine Kirche zu sehen ist. Spätere Deutungen nehmen an, es könnte die evangelische Kirche in Hausen i.W. sein, wofür es aber keine Argumente gibt.

Ein Charakteristikum des Wiesentales ist nicht zu erkennen. Elisabeth Baustlicher, sie trägt auf dem Bild die Tracht des Markgräflerlandes, deutet auf Hebels Verbundenheit mit seiner ländlichen Heimatregion hin, während die Stephanskirche auf sein städtisches Wirkungsfeld hinweist. Dass Hebel mit seiner linken Hand gestikuliert, macht deutlich, dass diese Darstellung als Vorlage für eine Druckgraphik gedacht war, die dann seitenrichtig erschien. Hebel hat Elisabeth Baustlicher weder gekannt noch je gesehen.

Das Basler Bildmotiv diente 1985 als Vorlage für die 80 Pfennig-Briefmarke der Deutschen Bundespost und ist damit eine bleibende Erinnerung an J. P. Hebel. In diesem Jahr hält sich die Post freilich zurück. Den Vorschlag aus Hausen, auch den 250. Geburtstag des großen alemannischen Dichters mit einer Marke zu würdigen, hat die Deutsche Post bereits im vergangenen Jahr abgelehnt.


Plusbriefe sind eine Alternative zu einer neuen Marke


Aber es gibt eine Alternative. Der Briefmarkenring Hausen und Umgebung gibt zum Großen Hebelfest vom 7. bis 10. Mai zwei PLUS-Briefe (frankierte Briefumschläge) in einer streng limitierten Auflage heraus. Die Motive zeigen das Bildnis Hebels nach einem Gemälde von Adolf Glattacker und das Hebelhaus in einer alten Ansicht. Beide Umschläge werden nur zusammen im Set für 4,80 Euro abgegeben und sind beim 1. Vorsitzenden, Bruno Aucktor, Gänsackerstraße 9, 79688 Hausen, Telefon:07622/671848, erhältlich.