Presse aktuell 2010


 
BZ vom 15.04.2010

Ein wahres Feuerwerk an Ideen

Zum 250. Geburtstag von Johann Peter Hebel ist jetzt ein Comic- und Illustrationsband zu seinen Kalendergeschichten erschienen

Johann Peter Hebel ist überall. Am 10. Mai dieses Jahres jährt sich der Geburtstag des Heimatdichters zum 250. Mal, was viele Verlage zum Anlass genommen haben, Bücher von und über Hebel in ihr Programm aufzunehmen. Viele davon sind Jubiläumsausgaben bereits publizierter Hebel-Texte, viele analysieren den Autor literaturwissenschaftlich erneut, manche davon neu. Ganz neu und mit Sicherheit noch nicht da gewesen ist die Idee des Basler Schwabe Verlags, einen Comic- und Illustrationsband zu Hebels Kalendergeschichten herauszubringen. Das Buch im großen Comic-Format "Kalendergeschichten in Comics & Illustrationen" ist vor wenigen Wochen erschienen, die dazugehörige und gleichnamige Ausstellung in der Bibliothek des Basler Kunstmuseums ist am Dienstag eröffnet worden.

Was nun hat der Dichter des 18. und 19. Jahrhunderts mit der modernen Kunstform Comic und zeitgenössischer Illustration zu tun? Haben der Schwabe Verlag und die Basler Hebelstiftung als Herausgeber mit der Konzeption des Buchs schlicht auf eine Marketinglücke im Hebel-Jahr, das freilich auch ein Hebel-Vermarktungsjahr ist, gesetzt? Dieser Verdacht wäre zu einfach, denn Verlag, Stiftung und die eingeladene Illustrationsabteilung der Hochschule für Gestaltung Luzern haben sich zunächst genau die gleiche Frage gestellt, die in der Diskussion von Hebel und allen anderen nicht mehr lebenden Autoren immer gestellt wird: Welche Bedeutung haben Autor und Werk für die heutige Zeit?

Idee des Projekts ist, dass mit den Absolventen des Luzerner Illustrationsstudiengangs die jungen Leser eine Antwort auf diese Frage geben durften, an die das Buch gerichtet ist — und die nicht als die klassische Hebel-Leser gelten. Vier Wochen hatten die Studenten Zeit, sich jeweils für eine Kalendergeschichte zu entscheiden und diese dramaturgisch und grafisch ins Jetzt zu übertragen. Herausgekommen sind vier Comics und acht Illustrationen — für jeden Monat des Jahres eine Neuinterpretation der ironisch-moralischen Geschichten. Begleitet werden die Arbeiten der Studenten von den original Hebel-Texten.

Nachdem sie die Aufgabe bekommen hatten, seien die Studenten "fast explodiert" vor Ideen, sagte die zuständige Dozentin der Luzerner Hochschule Susanna Stammbach an der sehr gut besuchten Vernissage der Basler Ausstellung, die sämtliche Grafiken und Illustrationen des Buchs versammelt. Auffällig sei , so die Präsidentin der Basler Hebel-Stiftung Beatrice Mall, dass sich die Studenten nicht nur für bekannte Geschichten wie "Kannitverstan" und "Das Mittagessen im Hof" entschieden haben, sondern auch unbekanntere und düstere Texte wie "Ein Kriegsschiff" ausgewählt haben.

Die Übertragungen der Geschichten nun sind einfach, so wie auch Hebels Kalendergeschichten einfach sind, einfach gedacht und einfach zu verstehen. Hebel wollte keine Subtilität und keine komplizierte Metaphorik, sondern den direkten Zugang zum Leser, den er unterhalten und gleichzeitig mit einem Augenzwinkern belehren wollte. In diesem Geist steht auch der Schwabe-Band, der sich Hebel mit vielen unterschiedlichen gestalterischen Ideen nähert — und der mit seiner zeitgenössischen Ästhetik vor allem die jüngeren, cooleren Leser auf den Geschmack des alten Dichters bringen könnte.


— Basler Hebelstiftung (Hg.): "Kalendergeschichten in Comics & Illustrationen" . Schwabe, Basel 2010. 64 Seiten, 60 Farbabbildungen, gebunden. 17,50 Euro.

— Ausstellung "Kalendergeschichten in Comics & Illustrationen" in der Bibliothek des Basler Kunstmuseums, bis 30. Juli 2010.