Presse aktuell 2010


 
BZ vom 4.3.2010

Hebel - neu zu entdecken

Markus Manfred Jung zeigte in der Reihe "Cum tempore" Hebels Aktualität auf

Von unserer Mitarbeiterin Claudia Gabler

LÖRRACH. "Loset, was ich euch will sage!" Mit dieser Zeile aus Johann Peter Hebels Gedicht "Wächterruf" lud der Verein "Freunde des Hebel-Gymnasiums" am Dienstag zu einem Hebel-Abend in die Lörracher Stadtkirche ein. Die Veranstaltungsreihe des Gymnasiums "Cum tempore" widmet sich im Hebel-Jahr zum 250. Geburtstag des Dichters ganz dessen Leben und Werk.

In der zweiten Veranstaltung der Reihe las und analysierte der Wehrer (Mundart-)Autor und Lehrer Markus Manfred Jung Hebels bekanntes Gedicht "Das Gewitter" und Silke Marchfeld sang Lieder des Dichters, begleitet von Sebastian Röhl an der Gitarre. "Der Vogel schwankt so tief und still / er weiß nit, woner ane will / Es chunnt so schwarz, und chunnt / so schwer" - obwohl des Alemannischen kaum mächtig, war von Hebels "Gewitter" und diesen mächtigen Zeilen über das Aufkommen eines Unwetters schon der Dichter Rainer Maria Rilke beeindruckt. Dass hier ein Vogel schwankt wie ein Mensch, das Verhalten eines Tieres also vermenschlicht wird, war nichts Neues in der Lyrik zu Hebels Zeit. Dass aber einer die strenge Form eines Gedichts aufhob, weil er merkte, dass eine allzu strenge Metrik schnell langweilte, und diese unter anderem durch kunstvolle Zeilensprünge ersetzte, sei damals sehr fortschrittlich gewesen, sagte Markus Manfred Jung.

Jung selbst hat im Jahr 1974 Abitur am Hebel-Gymnasium gemacht und arbeitet im Brotberuf als Gymnasiallehrer in Schopfheim. Als Autor ist er in fast allen literarischen Genres tätig, bekannt ist er vor allem als Lyriker, wie Hebel schreibt er sowohl auf Hochdeutsch als auch auf Alemannisch. Hebel entdecke er sowohl als Autor als auch als Lehrer immer wieder neu, so Jung, der in seiner Analyse des "Gewitters" neben der Form vor allem das Gottvertrauen des Dichters und Theologen hervorhob: In der siebten Strophe des elfstrophigen Gedichts habe Hebel ob der Gewalt des Unwetters zwar kurz einen "fatalistischen Gedanken" , formuliere dann aber mit der Beschreibung des "Büebli" , das trotz des Gewitters weiterschlafe, gleich wieder Hoffnung auf Besserung. Das Resultat des Gottvertrauens sei dann das Ende des Gewitters, sagte Jung. Die "Schlusskonsequenz" sei bei Hebel, der mit dem frühen Tod von Eltern und Schwester selbst viel Leid ertragen musste, wie immer also das zuversichtliche Weitergehen im Alltag: Die aktive Bewältigung vertreibe hier wie oft bei Hebel die passive Angst.

Wie Hebel und Jung verbinden auch die beiden Musiker des Abends ihre künstlerische Arbeit mit einer Lehrtätigkeit: Sebastian Röhl, der in Hamburg geboren wurde und dort klassische Gitarre studiert hat, ist Leiter der Musikfachschaft an der Freien Evangelischen Schule in Lörrach. Die Weilerin Silke Marchfeld, die in Basel, Stuttgart und Amsterdam Gesang studiert hat, unterrichtet neben ihrer Arbeit als Sängerin am Clara-Schumann-Gymnasium in Lahr Sologesang. Am Dienstag sang sie begleitet von Röhl verschiedene Lieder und Gedichte Hebels wie "Der Sommerabend" , "Der Schwarzwälder in Breisgau" und "Hans und Verene" und füllte mit kräftiger Stimme die gut besetzte Stadtkirche.