Presse aktuell 2010


 
BZ vom 3.3.2010

"Er lebte in mindestens zwei Welten"

BZ-Interview mit Hans-Jürgen Schmidt, Präsident des Lörracher Hebelbundes, zum 250. Geburtstag von Johann Peter Hebel

Am 10. Mai jährt sich der Geburtstag von Johann Peter Hebel zum 250. Mal. Dichter und Werk werden aus dem Anlass das ganze Jahr auf unterschiedlichste Weise und von sehr verschiedenen Akteuren gewürdigt. Der Hebelbund Lörrach spielt dabei eine tragende Rolle. Sabine Ehrentreich sprach mit dem Präsidenten Hans-Jürgen Schmidt.

BZ: Herr Schmidt, eine persönliche Frage vorab: wie ist Ihre eigene Beziehung zu Johann Peter Hebel entstanden?

Schmidt: Mein Vater wurde 1948 Pfarrer an der Stadtkirche in Lörrach, ich besuchte die Hebelschule, das Hebelgymnasium, damals noch im Gebäude des heutigen Museums am Burghof; das Hebelgymnasium wanderte jedes Jahr um den Geburtstag Hebels herum aufs Röttler Schloss; auf diese Wanderungen wurden wir Schüler vorbereitet und im Schloss-Gelände wurde Hebel rezitiert. Im Religionsunterricht hatte ich dem späteren Theologie-Professor Walther Eisinger, einen Hebelkenner sondersgleichen. So war es für mich eigentlich ganz klar, dass ich viele Jahre später Ja sagte, als ich vom damaligen Präsidenten des Hebelbundes, Gerhard Leser, gefragt wurde, ob ich mitarbeiten wolle.

BZ: Hebel ist in Lörrach und Umgebung immer präsent, in diesem Jahr ist er es noch mehr - warum gehört der Dichter in unsere Zeit?

Schmidt: Weil Johann Peter Hebel der Mensch der Integration ist, ein Mensch der Versöhnung. Hebel lebte immer in mindestens zwei Welten. In der Großstadt Basel und im Dorf Hausen, zwischen Reichtum und Armut. Während des Theologiestudiums in Erlangen zwischen Aufklärung und Frömmigkeit im guten Sinne des Wortes. Der fromme Hebel ist aufgeklärt, der aufgeklärte Hebel ist fromm; in Karlsruhe das Schloss, der großherzogliche Hof, also das adlige Publikum, daneben die Welt der Bauern und Handwerker im Gasthof, also auch das Mitleiden mit den kriegsgeschundenen Menschen und das Mitfeiern in der gehobenen Gesellschaft. Und im Kalender: Geschichten aus dem Dorf nebenan, Geschichten aus aller Welt, Geschichten über die Menschen in Segringen, über Juden und Muslime, Geschichten über das Weltall. Hebel verbindet den Nahbereich mit dem fernsten Fernbereich, oben und unten, Glaube und Naturwissenschaft. Integration ist Hebels Lebens-Philosophie, die aus seinem Glauben entsteht.

BZ: Mit welchen Formen wollen Sie jene auf Hebel aufmerksam machen, die ihn bisher nicht so wahrgenommen haben?

Schmidt: Dazu nenne ich aus dem Angebot des Hebelbundes etwa die beiden Puzzles für Kinder zu Hebel-Gedichten. Im Schatzkästlein am 1. Mai bekommen wir das "Hebel-Panorama" : eine szenische Darstellung und Lesung mit dem Theater Tempus fugit. Am 7.Mai gibt es im Jazztone eine kammerjazzige Collage unter dem Titel "Ein gnitzer Typ - Johann Peter Hebel zum 250.Geburtstag" .

BZ: Welches sind in Ihren Augen die spannendsten Ansätze im Hebel-Jahr?

Schmidt: Neben den Veranstaltungen, die zu den Hebel-Klassikern in Lörrach, Basel und Hausen gehören, nenne ich exemplarisch die Museen in Schopfheim und in Efringen-Kirchen, die den naturwissenschaftlichen Hebel herausstellen, in Müllheim werden zwei Veranstaltungen zu "Hebel und die Musik" stattfinden, die Universität Freiburg veranstaltet ein Hebel-Symposion, im Burghof Lörrach hat am 5.Mai "Der neue Hebel" Premiere, der an "Armer Hebel" anknüpft. Die Wanderausstellung, die vom Museum am Burghof erarbeitet wird, gehört hierher, sie wird von Lörrach bis nach Schwetzingen gehen, wo der Dichter 1826 starb. Viele Veranstaltungen nehmen auch die musikalischen und szenischen Möglichkeiten Hebels auf.

BZ: Der Hebelbund oder das "Schatzkästlein" erreichen eher die ältere Generation. Glauben Sie, dass man Hebel auch bei den Jüngeren wach halten kann?

Schmidt: Speziell das "Schatzkästlein" ist der Klassiker unter den Veranstaltungen des Hebelbundes, da kommen in der Tat eher die Menschen jenseits der Lebensmitte. Deswegen geht der Hebelbund auch andere Wege, die den "Klassiker" ergänzen: die Hebel-Puzzles werden von jungen Eltern mit Kindern oder von Großeltern für Kinder gekauft, mit den Lesungen in Schulen erreichen wir auch die jungen Menschen. Ich vermute, dass die klassischen Veranstaltungen für jüngere Menschen weniger geeignet sind, also brauchen wir neben den Klassikern auch noch weitere Formen.

BZ: Es passiert sehr viel aus Anlass des Jubiläums - wer ist alles im Boot?

Schmidt: Für den Hebelbund Lörrach kann ich sagen: Im Boot sind die Stadt Lörrach - also das Hebel-Gymnasium, die Hebel- und die Musikschule, das Museum am Burghof, der Burghof, die Stadtmusik. Dazu kommen der Jazz-Club, die Evangelische Kirchengemeinde, Tempus Fugit, der Schwarzwaldverein. Hoffentlich habe ich jetzt niemanden vergessen.

BZ: Sind die Aktivitäten in einem Gesamtkonzept koordiniert?

Schmidt: Zum Hebel-Jubiläum finden in Baden-Württemberg so viele Veranstaltungen statt, dass eine Koordination in einem Gesamtkonzept nicht machbar war. Wenn ich mir die Fülle anschaue, denke ich, das Gesamtkonzept, das sich insgeheim entwickelt hat, ist der ganze Hebel im Reichtum seiner Fähigkeiten und Begabungen. Leider gelang es mir nicht, ein Gesamtkonzept für die Veranstaltungen von Basel bis Hausen zu erreichen.

BZ: Verspricht sich der Hebelbund Impulse, Zulauf vielleicht auch von Jüngeren, die auf den Dichter aufmerksam werden?

Schmidt: Der Hebelbund hat rund 300 Mitglieder und verwaltet 600 Adressen. Er versteht sich als Verein der regionalen Kultur und Literatur - im Sinne Hebels heißt regional immer grenzüberschreitend, weshalb der Hebeldank auch in die Schweiz und ins Elsass vergeben wird. Natürlich erhoffen wir Zulauf, erste Eintritte sind da. Ich hoffe aber auch, dass wir keinen Hebel-Überdruss produzieren.