|
Presse aktuell 2010
|
BZ vom 11.02.2010
Nicht ins falsche "Käschtle"
Niklaus Peter will Johann Peter Hebel nicht als volkstümelnden Heimatdichter sehen
Von unserer
Mitarbeiterin Claudia Gabler
LÖRRACH. Es ist das Hebel-Jahr, es wird vor
allem im Südwesten des Landes viel gesprochen
und geschrieben über den bekannten Badener, der
vor 250 Jahren in Basel geboren wurde. Manche
Anekdote, mancher kleine Text ist bekannt bei
Jung und Alt und droht im Rhythmus des
Schwelgens und Zitierens (gerne in Mundart) den
großen Dichter aus der Heimat zu einem Mundart-
und Heimatdichter zu degradieren. Damit befasste
sich ein Vortrag am Hebel-Gymnasium.
Doch mit der voreiligen Einordnung lege man
Hebel aber "zu schnell ins falsche Käschtle",
sagt der Theologe und Pfarrer am Fraumünster
Zürich, Niklaus Peter. Am Dienstag eröffnete er
mit seinem Vortrag "Und mit der Zit verbrennt
die ganzi Welt" über die "Friedliche Apokalyptik
bei Johann Peter Hebel" die diesjährige
Vortragsreihe "Cum tempore" am Lörracher
Hebel-Gymnasium - an dessen Vorgänger, dem
Pädagogium, Hebel von 1783 bis 1791 gelehrt
hatte. Thema der vom Verein "Freunde des
Hebel-Gymnasiums" finanzierten Reihe ist in
diesem Jahr freilich: "250 Jahre Johann Peter
Hebel".
Die richtige Schublade, die Niklaus Peter für
Hebel aufmachte, nimmt jeden Verdacht von
Schönwetterpoetik von dessen literarischer
Arbeit. Vielmehr müsse diese in einem
"volksaufklärerischen Kontext" gesehen werden
und Hebel als "Theopoet" , der die dunkle Seite
der Menschen kannte. Indem er zum Beispiel in
seinem bekannten Gedicht "Die Vergänglichkeit"
von 1803 den Tod und die Endlichkeit
menschlichen Lebens zum Thema machte, habe er
zum einen seine persönliche Erfahrung mit dem
Tod der Eltern und der Schwester und sein Ringen
mit einer archaischen Bildwelt umgesetzt. Zum
anderen habe er auch seine eigens hervorgerufene
Himmelsvorstellung wieder ironisch gebrochen und
mit "diesem Schuss Ironie" die ganz großen
Fragen der Welt in einer Art "poetischer
Theologie" verarbeitet. Wichtigstes
literarisches Mittel hierbei sei der Dialog:
Erst im Gespräch, wie in diesem Gedicht zwischen
Vater und Sohn, wird das Verständnis des
Einzelnen erweitert.
Auch in Hebels bekanntem kurzem Prosatext
"Kannitverstan" wird die Bedeutung von
Kommunikation als Weg zur Selbsterkenntnis
deutlich - auch wenn, wie in diesem Fall, die
Kommunikation auf einem Missverständnis beruht.
Das Großartige hierbei sei, so Peter, dass Hebel
zwar auch Ängste hervorrufe und eine religiöse
apokalyptische Wachheit aufgreife, diese aber in
eine humanistische Grammatik transformiere. Vor
diesem aufklärerischen Hintergrund müsse auch
Hebels Aufnahme des alemannischen Dialekts
gesehen werden. Dies sei nicht als Zeichen von
falscher Volkstümelei zu werten, sondern als
Versuch, den Menschen ihre Sprache
zurückzugeben. Diese humanistischen Motive seien
es schließlich, so Peter, die die Apokalypse bei
Hebel zu einer "friedlichen Apokalypse" machten.
Der in Basel geborene Niklaus Peter brachte
nicht nur das Literarische, Theologische und
Philosophische bei Hebel überzeugend zusammen,
sondern erwies sich auch als leidenschaftlicher
Hebel-Kenner und Referent und als weltoffener
Kritiker seiner Zunft. Ein gelungener Auftakt
zur neuen Folge einer ambitionierten Reihe, die
Lust macht auf Hebel und das Lesen und Denken an
sich.
|
|
|
|