Presse aktuell 2010


 
ekiba intern 1/2010

Zwischen Kanzel und Kalender

Zum 250. Geburtstag Johann Peter Hebels am 10. Mai

Wer kennt sie nicht - die Kalendergeschichten von Johann Peter Hebel? Im Jubiläumsjahr zum 250. GeburtstagdesTheologen, Lehrers und Erzählers rücken sie nicht nur in der badischen Landeskirche, deren erster Prälat Hebel war, erneut ins Rampenlicht.
Eine seiner berühmtesten Kalendergeschichten trägt den Titel „Kannitverstan“ und wurde 1808 im „Rheinischen Hausfreund“ veröffentlicht. Hebel erzählt darin von einem armen deutschen Handwerksburschen, der nach Amsterdam kommt. Der erhält auf seine Frage nach dem Besitzer eines wunderschönen Hauses und eines mächtigen Schiffes im Hafen jeweils die Antwort „Kannitverstan“. Da wünscht er sich, dass er es „auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr Kannitverstan es hat“. Endlich trifft der Bursche auf einen Leichenumzug. Auf seine Frage, wer beerdigt wird, erhält er wieder die Auskunft,, Kannitverstan“. Nun ist er getröstet: „Wenn es ihm wieder einmal schwer fallen wollte, dass so viele Leute in der Welt so reich seien, und er so arm, so dachte er nur an den Herrn Kannitverstan in Amsterdam, an sein großes Haus, an sein reiches Schiff und an sein enges Grab“.

Hebels „Biblische Geschichten“

Über 200 Kalendergeschichten hat Hebel verfasst. Sie sorgten für Frieden unter den Ständen, meint Literaturhistoriker Wolfgang Frühwald: „ Man liest sie bis heute in allen sozialen Schichten. Das macht Hebels Größe aus.“ Schriftsteller wie Goethe, Tolstoi und Hesse bewunderten diese kurzen und pointierten Geschichten. Bertc1t Brecht inspirierten sie zu seinen eigenen Kalendergeschichten. Die Schriftstellerei betrieb Hebel aber nur nebenbei. Dass er Theologie studiert hat, wissen die wenigsten und löse bei vielen Menschen „schieres Erstaunen“ aus, berichtet Landesbischof Ulrich Fischer. Nach dem Studium arbeitete Hebel als Hauslehrer und Vikar in Hertingen. Später war er Lehrer am Pädagogium in Lörrach (dem heutigen Gymnasium) und von 1808 bis 1814 Direktor am Karlsruher Gymnasium (heute Bismarck-Gymnasium). Hebel unterrichtete die unterschiedlichsten Fächer - viele Stunden davon Latein, denn die Schüler sollten die Sprache aktiv beherrschen, um am wissenschaftlichen Diskurs der Zeit teilnehmen zu können. Griechisch lernten sie dagegen nur mit dem Ziel, das Neue Testament lesen zu können. Hebel war ein Lehrer mit durchaus launigem Humor. Davon zeugen seine Schülerbeurteilungen, bei denen er den einen oder anderen Schützling schon mal als „loquax‘, „mendax“ oder „edax“ (geschwätzig, verlogen, verfressen) abkanzelte. Den Höhepunkt seiner Karriere hatte er erreicht, als er 1819 zum ersten Prälaten der evangelischen Kirche in Baden berufen wurde. In dieser Funktion hatte Hebel wesentlichen Anteil am Zusammenschluss der lutherischen und der reformierten Kirche durch die Generalsynode 1821. Für diese Leistung wurde er von der Universität Heidelberg zum Doktor der Theologie ehrenhalber ernannt. An seinem Hauptwerk, den „Biblischen Geschichten, arbeitete Hebel fünf Jahre. Sie wurden 1824 veröffentlicht und dienten über 30 Jahre als Lehrbuch an den Schulen. Im „ersten Bändchen“ hat Hebel das Alte Testament, im „zweiten Bändchen“ das Neue Testament in der Sprache des aufgeklärten 19. Jahrhunderts bearbeitet. Zu seinen Aufgaben gehörte auch, ab und zu in der Hofkirche zu predigen. Selbstironisch schrieb er über einen Gottesdienst: „Ich bin so stolz, daß die Karlsruher Kenner so ziemlich zufrieden waren und kaum die Hälfte der Zuhörer, höchstens zwei oder drei mehr einschliefen, so stolz, daß ich die Predigt in die ganze Welt schicken möchte.“ Die vielen Facetten Hebels, seines Lebens und Wirkens, werden in diesem Jahr in vielen Veranstaltungen gewürdigt.

Christine Jacob