Presse aktuell 2013


 BZ vom 11.12.13

Ein rebellischer Mundartdichter

Markus Manfred Jung führte die Mundart heraus aus heimattümelnden Milieu / Lesung bei "Literarischer Begegnung" im Museum

Von unserer Mitarbeiterin Gabriele Reinhardt


Markus Manfred Jung (Foto: Th. Quartier)

LÖRRACH. Bei der letzten "Literarischen Begegnung" dieses Jahres begrüßte Volker Habermaier, Vizepräsident des Hebelbundes, einen dem Publikum wohlbekannten Literaten. Markus Manfred Jung las im Hebelsaal des Dreiländermuseum aus seinen Werken. Unter dem Titel "Uf alemannisch cha me alles usdrucke" führte der Mundartdichter mit Gedichten aus verschiedenen Schaffensperioden durch sein Leben.

Statt den Literaten vorzustellen, analysierte Habermeier einführend seine Arbeitsweise anhand des Gedichtes "Totentanz" . Darin zeichnet Jung, inspiriert durch den Besuch des Geburtshauses Hebels, in moderner lyrischer Reduktion ein Bild der Vergänglichkeit. In mundartliche Passagen hat Jung Zitate von Hebel und Hölderlin integriert. Der Dichter verstehe sich auf die leisen Töne in einer immer lauter werdenden Welt, so Habermeier.

Mundart als Speerspitze gegen die Gesellschaft

Den Gang durch seine Biographie beginnt Jung mit seinem ersten Gedichtband "Rägesuur" aus dem Jahr 1986. Dort, so sagt er, findet sich noch viel Eigenes. Jung thematisierte in dieser Zeit Umweltkatastrophen wie den sauren Regen oder Tschernobyl zwischenzeilig und doch sprachgewaltig. Er führte die Mundart heraus aus dem heimattümelnden Milieu, seine Gedichte enthalten Speerspitzen gegen gesellschaftliche Entwicklungen. Dennoch blieb Jung der Mundart treu. Die Sprache habe besonders im Alemannischen eine Eigendynamik. Er zitiert sich selbst: "Jedes Wort isch a Frog, alles isch a Frog vom Wort" . In seiner Anfangszeit habe er gerne gegen die Tradition rebelliert. Sein Vater Gerhard Jung sei beliebt gewesen, da wollte er sich unbeliebt machen, so der Dichter. Die Landesgartenschau entlarvte er als eingeschränkte Natur und schließlich griff er seinen Vater mit einem Gedicht über die Bächli-Blümli-Poesie an. Zum Glück, so Jung in seinem Rückblick, habe sein Vater ihn damals zurecht als pubertierenden Dichtersohn eingeschätzt, und auf die jugendliche Provokation mit dem eindrücklichen Gedicht "Bleistiftstümmeli" geantwortet, das er über die schwere Zeit der Kriegsgefangenschaft verfasste. Auch in den folgenden Gedichtbänden "Halbwertsziit" und "Endziit" blieb Jung bei seinem gesellschaftskritischen Grundton, wurde sprachlich aber zunehmend knapper und verdichteter. Seine Gedichte haben nichts Leichtes, er zweifelte zunehmend, ließ Krisen nicht außen vor. Auch seine Naturbeobachtungen enthalten eine Endzeitstimmung, wie das Gedicht "Hexenoodle" über eine von Ameisen ausgehöhlte Libellenhülle, dort heißt es: "So triibt si dr wind spröd übre boode, verbei raschle wie vom a stuck vergessenis papiir" Dieses Gedicht bezeichnet der Dichter als lyrisches Bild für das Schreiben selbst. In seinen Liebesgedichten an Personen oder Heimatorte bleiben Jungs Bilder nie verklärt romantisch, der Feldberg ist da schon einmal ein "Schlachtfeldberg" , zerstört vom Ski- und Freizeittourismus. Zunehmend löste der Mundartdichter lyrische Formen auf, orientierte sich gar an japanischen Haikus. Schließlich begann er in den Glossenbänden "mit uns selber abzurechnen" , da wird die Anklage der frühen Zeit zur beinharten Selbstkritik.

In seinem letzten Band "Gopaloni" lernt man einen versöhnlichen, fast heiteren Markus Manfred Jung kennen. Sprachlich vielfältig und lebendig schildert er die Vorweihnachtszeit im Hause Jung, die Vielfalt Backwaren und die Gewitztheit der Kinder jedes noch so geheime Versteck der "Gutseli" ausfindig zu machen. Eine liebenswerte Hommage an die alemannische Heimat und nicht zuletzt an seine Mutter.