Presse aktuell 2013


BZ vom 27.4.13

Kirchenbücher erzählen vom Alltag

Klaus Schubring beleuchtete beim Frauentreff das Leben in Hausen zur Zeit Johann Peter Hebels

HAUSEN. Ein gern gesehener und gehörter Gast im Frauentreff ist der Historiker Professor Klaus Schubring, der mit seinen Ausführungen zur Geschichte die Zuhörer zu begeistern weiß. Diesmal hatte er im Vorfeld der Feiern im Monat Mai für den Theologen und Pädagogen Johann Peter Hebel die Bürger, das Dorf, das Eisenwerk, das Alltagsleben und die herrschaftlichen Verhältnisse zum Thema gemacht. Mit Humor und großer Anschaulichkeit fesselte er die 30 Frauen und und sechs Männer, die als Zuhörer gekommen waren.

Eingangs widmete sich der Referent dem barocken Epitaph, das über der Seitentür der evangelischen Kirche hängt, wenig beachtet wird, aber doch Interessantes erzählt. So hat der Vogt Anton Sick, ein betuchter Rotgerber und "Reingeschneiter" , seiner Gattin Maria Pflüger, mit der er vier Kinder hatte, ein überdimensioniertes Denkmal an der bis 1738 quergestellten Kirche gewidmet sich damit wohl selbst ins rechte Licht gerückt.

Schubrings Recherchen im Generallandesarchiv in Karlsruhe über die Bevölkerungsentwicklung von 1699 bis 1809 ergaben, dass das Hebeldorf in dieser Zeit einen Anstieg von 226 auf 453 Anwohner erlebte. Zu Hebels Geburt waren es etwa 400. Nur drei bis vier vermögende Familien wurden gezählt, darunter ein Mühlenbesitzer; die Mehrheit der Bevölkerung bestand aus Tagelöhnern. Das Dorf war über eine hölzerne Brücke zu erreichen, die wenigen Häuser rankten sich um die Kirche, das Hebelhaus und die Mitteldorfstraße. Ein zweiter Schwerpunkt lag außerhalb des Dorfes um das Eisenwerk mit Kohle- und Schmelzofen und um die Hammerschmiede und das stattliche Herrenhaus, das 1768 fertig gestellt war. Von 1770 bis 1802 leitete Bergwerksinspektor Johann Jeremias Herbster das Unternehmen; ihm widmete Hebel seine alemannischen Gedichte.

Hauptsächlich aus den Kirchenbüchern lässt sich das Alltagsleben rekonstruieren. Die Hausener Bürger waren bis 1783 leibeigene badische Untertanen, die unter den Abgaben für Freizügigkeit, bei Hochzeiten und Todesfällen zu leiden hatten. Zum Schmunzeln geben die beurkundenden Einträge der Pfarrer Anlass — da wird ein alter Mensch als "baufällig" bezeichnet, ein anderer ist laut Kirchenbuch-Eintrag "an Altersnachlass" gestorben. Einen Leichensermon bekamen nur die Lutherischen; katholische Leichen wurden nach Zell gebracht, von dort kamen die evangelischen Toten nach Hausen.

Das Oberamt in Lörrach vergoss viel Tinte für Erlasse und Vorschriften. Den Bürgern wurde vorgegeben, Kartoffeln, Klee oder Maulbeerbäume anzupflanzen oder Hinterwälder Tiere zu halten. Da Hausen nur kärgliches Ackerland vorzuweisen hatte, wurde Getreide- und Graswechsel empfohlen, es sollte "angeblümt" werden. Mit der Feuervorsorge war es nach heutigen Maßstäben nicht zum Besten bestellt. Vogt Maurer hatte im 18. Jahrhundert 48 Ledereimer, zwei Leitern und vier Feuerhaken zur Verfügung. Die Schule hatte damals Lehrer Andreas Grether unter sich, der die Kinder bis 1772 in einer angemieteten Stube im Gasthaus "Zum Adler" unterwies. Neben Rechnen, Lesen und Schreiben unterrichtete er auch Nähen, Stricken und Häkeln — für Buben wie für Mädchen. Eine ausführliche Replik galt dem Vogt Johann Michael Clais, verheiratet mit Kunigunde Haller, der 1784 den "Adler" hergerichtet hatte und eine Bäckerei betrieb.

Langanhaltender Beifall und ein Gutschein dankten dem Referenten für seinen Vortrag. Mit dem bekannten Vers von Johann Peter Hebel — "Ne freudig Stündli, isch’s nit e Fündli? Jez hemmers und iez simmer do!" leitete Professor Schubring zum gemütlichen Plausch bei Kaffee und Kuchen an den hübsch geschmückten Tischen über.

Klaus Brust